Warnungen vor steigenden Leerständen im Mietbereich sind nicht neu. Bereits seit Jahren wird viel gebaut in der Schweiz, da sich renditeorientierte Anleger in einem zins- und renditearmen Umfeld durch Immobilien zumindest noch einigermassen akzeptable Einnahmen erhoffen. Wegen des Baubooms sinken aber die Renditen.
"In Zürich betragen die durchschnittlichen Netto-Anfangsrenditen bei Vollvermietung noch 1,7 Prozent, vor zehn Jahren waren es noch fast 4 Prozent", rechnet Ursina Kubli, Leiterin Immobilienanalyse bei der Zürcher Kantonalbank (ZKB), im cash-Talk vor.
Doch trotz sinkender Erträge liessen sich potenzielle Investoren bei Mietwohnungsbauten kaum abschrecken. Es wurde und wird munter weiter gebaut. Die Zahl der leer stehenden Mietwohnungen in der Schweiz beläuft sich mittlerweile auf 60'000, das ist ein neues Allzeithoch:
Anzahl leerstehender Mietwohnungen in der Schweiz seit 1994 / Quelle: Bundesamt für Statistik (Bfs), eigene Darstellung
Dennoch scheint nun erstmals so etwas wie ein Umdenken einzusetzen: "Bereits das zweite Quartal in Folge sind die Baubewilligungen rückläufig", sagt Kubli. Dies sei eine Bestätigung, dass Investoren vorsichtiger werden. Und folgert: "Die ganze Leerstandsproblematik hinterlässt ihre Spuren."
Wie die ZKB im Mitte Woche veröffentlichten Immobilienbarometer aufzeigte, wurden im vierten Quartal 2018 noch 6000 Mietwohnungen bewilligt, das sind 20 Prozent weniger als ein Jahr zuvor. Bereits im dritten Quartal 2018 wurde ein kräftiger Rückgang der Baubewilligungen beobachtet.
Stabilisierung frühestens ab 2020
"Die rückläufigen Bewilligungen werden sich frühestens im Jahr 2020 in einem leicht tieferen Wohnungsbau zeigen", meint Kubli. Das führe dann zumindest zu einer Stabilisierung der Leerstände.
Doch 2019 werden zunächst noch zahlreiche Projekte finalisiert, die in den Jahren zuvor die Baubewilligung erhalten haben. Gleichzeitig bleibt die Zuwanderung einigermassen stabil. "Das bedeutet, dass die Leerstände bei Mietwohnungen 2019 weiter ansteigen werden", so Kubli.
Konkret prognostiziert die ZKB für 2019 66'500 leere Mietwohnungen in der Schweiz, das wären etwa 11 Prozent mehr als 2018. Die Mieten sollen im aktuellen Jahr dabei schweizweit um 1 Prozent günstiger werden. Für Mieter also eine gewisse Entspannung.
Der Stadt-Land-Graben
In Bezug auf die Leerstände ist ein deutlicher Stadt-Land-Graben beobachtbar: Haben Städte oftmals kaum ein Problem mit leerstehenden Wohnungen, so ist dies auf dem Land viel eher der Fall.
Geld für Bauten fliesst gemäss Kubli eher in ländlichere Gebiete, weil dort die Bodenpreise tiefer sind und ausserdem noch genügend Land zum Bauen vorhanden ist. Ausserdem sei dort auch häufig der Baubewilligungsprozess unkomplizierter. Schlussendlich würden dann Investitionsentscheide nicht aufgrund des finanziellen Potenzials getroffen, sondern einfach aufgrund der Verfügbarkeit des Grundstückes.
Für die Beurteilung der Attraktivität eines Standorts ist gemäss Kubli aber nicht die Höhe der Leerstände alleine entscheidend: "Spannend ist die Frage, wie lange es geht, bis die Leerstände wieder abgebaut werden", so die Immobilienexpertin. Das hänge wiederum davon ab, wie stark das Bevölkerungswachstum im jeweiligen Gebiet sei.
Hohe Leerstände im Aargau
Im Kanton Aargau zum Beispiel sind die Leerstände zwar hoch, doch die Gemeinden nahe bei Zürich würden dies relativ gut mit dem künftigen Bevölkerungswachstum absorbieren können, so dass die Leerstände in Zukunft wieder sinken dürften. Aber weiter weg von Zürich in Richtung Oberaargau gäbe es Gebiete, wo das Bevölkerungswachstum mit den Leerständen nicht mitziehen könne.
In einem Ende 2018 publizierten Research-Bericht erwähnt die ZKB einige Kantone, wo aufgrund einer längeren Absorbationszeit leerer Mietwohnungen in fünf Jahren signifikante Leerstände zu erwarten sind. Es sind dies: Uri, Glarus, Wallis, Graubünden, Appenzell, Solothurn, Neuenburg und Schaffhausen.
Im cash-Talk äussert sich Ursina Kubli auch zu den Auswirkungen eines Zinsanstiegs auf den Immobilienmarkt und zu den möglichen Folgen eines Ja bei der Zersiedlungsinitiative, über die am 10. Februar 2019 abgestimmt wird.