"Neue Technologien stellen uns vor die Frage, was wir verändern müssen, um Schritt zu halten mit diesen Umwälzungen", sagte Berset in seiner zweisprachigen Rede, mit der er das 20. SEF in Interlaken eröffnete. Nicht nur Unternehmen, sondern auch die Schweiz müsse sich partiell neu erfinden.
Die Schweiz könne in Bezug auf eine Kultur des erfolgreichen Scheiterns von Amerika lernen. "Fail better" (Besser scheitern) und vielleicht sogar mit dem berühmten Swiss Finish: "Fail Best" (Am besten scheitern). "Wir könnten durchaus etwas weniger Energie in die Fehlervermeidung investieren und etwas mehr Energie in die Frage, wie wir kreativer werden können."
Schweizerisches Gleichgewicht bewahren
Die Schweiz hat laut dem Bundespräsidenten aber auch viele Qualitäten, die sie bewahren sollte. Es dürfe nicht vergessen werden, dass es der Schweiz heute sehr gut gehe. Zu den Stärken der Schweiz zählt Berset etwa das bemerkenswerte Ausbildungssystem, die Sozialpartnerschaft, die Innovationsführerschaft, den Föderalismus, die exzellente Infrastruktur sowie das Sozialversicherungssystem.
Das Gleichgewicht zwischen Wettbewerb und sozialem sowie regionalem Ausgleich mache die Stärke der Schweiz aus. Es verliere durch die Digitalisierung nichts von seiner Relevanz - im Gegenteil. Die soziale Integration und die Legitimation der technologischen Erschütterungen stellten eine weit grössere Herausforderung dar, als die Optimierung der digitalen Geschäftsmodelle.
Wenn nicht alle von der Digitalisierung profitierten, drohe eine ähnliche Gegenbewegung wie gegen die Globalisierung. Diese habe auch in der Schweiz zu Unbehagen geführt. Die Digitalisierung könnte die Wahrnehmung noch verstärken, dass Wandel gefährlich sei. Berset warnte vor einem "digitalen Fatalismus."
Deshalb gelte es politisch insbesondere dem Gefühl des Kontrollverlustes entgegenzuwirken. Dies könne durch Reformfähigkeit geschehen und durch das Bewusstsein, dass soziale Kohäsion erarbeitet werden könne. "Und das Wissen darum, dass soziale Sicherheit ein Land letztlich wirtschaftlich stärkt." Aber auch punkto politischer Entscheidungsfindung gelte die Devise: Fail better.
Spiesshofer, Spuhler und Kerry
Die 20. Ausgabe des SEF steht unter dem Motto "hello from the other side". "Das heisst ja nichts anderes, als Hemmungen abbauen und mutig zu sein", sagte Moderatorin Susanne Wille am Donnerstag. An dem Treffen im Berner Oberland nehmen rund 1'350 Führungspersönlichkeiten aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft teil.
Nach Bersets Eröffnungsrede treten am Donnerstagnachmittag mit Peter Spuhler, Verwaltungsratspräsident bei Stadler Rail, und ABB-Chef Ulrich Spiesshofer zwei Grössen der Schweizer Wirtschaft im "Executive Talk" gemeinsam auf. Unternehmensseitig wird etwa auch noch der Brite Mark Dixon, Gründer und CEO der International Workplace Group (IWG), auftreten. Die IWG beschäftigt sich in über 115 Ländern mit flexiblen Arbeitsplatzlösungen.
Weiter sprechen auch angesehene Ökonomen am SEF. So wird der Wirtschaftsweise Lars Feld am Donnerstag über die Lage und die Zukunft Europas sprechen. Und am Freitag wird die an der London School of Economics tätige Wirtschaftsprofessorin Keyu Jin makroökonomische Einblicke in Chinas Wirtschaft und aufstrebende Märkte Asiens gewähren. Den Abschluss macht tags darauf der frühere US-Aussenminister John Kerry. Kerry wird seine persönlichen Einschätzungen zum aktuellen politischen Weltgeschehen präsentieren.
tt/ra
(AWP)