"Wir befinden uns in einer katastrophalen Lage - und das wird auch noch so weitergehen", eröffnete Ferguson seine Rede in Interlaken. Die Gesundheitssysteme im Westen seien relativ schlecht auf die Corona-Pandemie vorbereitet gewesen. Dies habe vor allem damit zu tun, dass die wichtigsten Entscheide im Zusammenhang mit der Pandemie von "Gesundheitsverwaltern" getroffen worden seien - und nicht von Wissenschaftlern.
Schlechtes Katastrophenmanagement
Zu spät habe man erkannt, dass eine Pandemie nach einer Welle nicht vorbei sei, und dass man Ansteckungen wirklich nachverfolgen müsse, wenn man die Ausbreitung der Pandemie bremsen wolle. Das zweite Problem im Umgang mit der Pandemie sei das schlechte Katastrophenmanagement: "Die Behörden waren auf eine so ansteckende Krankheit nicht vorbereitet."
"Wir müssen uns mit unserem Katastrophenmanagement auseinandersetzen. Die Corona-Pandemie war nicht die letzte Katastrophe, die wir erleben werden", sagte Ferguson. So habe man schlussendlich wenig aus der Geschichte für die Gegenwart und die Zukunft gelernt.
Der Blick zurück in die Geschichte zeige, dass es immer wieder Seuchen gegeben habe, wie zum Beispiel die Spanische Grippe. Diese habe viel mehr Opfer gefordert als die Corona-Pandemie jemals fordern werde. Dass diese Pandemie weniger tödlich sein werde als die Spanische Grippe habe mit dem wissenschaftlichen Fortschritt zu tun und der schnellen Entwicklung eines Impfstoffes.
Pandemien teilen Gesellschaften
Dass Pandemien Gesellschaften veränderten, sei unbestritten. "Wenn man sich die Geschichte der Seuchen anschaut, dann sinkt der soziale Zusammenhalt, wenn Seuchen ausbrechen. Seuchen schaffen Misstrauen", erklärte Ferguson. Anders sei dies bei Konflikten, die zu Folge hätten, dass Gesellschaften enger zusammenrückten.
Ferguson gilt als einer der einflussreichsten und bekannteste lebende Historiker der Welt. Er ist Senior Fellow am Zentrum für europäische Studien an der Hoover Institution, die zur Stanford University gehört. Sein jüngstes Buch trägt den Titel "Doom the Politics of Catastrophe".
(AWP)