Eine der Notfallmassnahmen besteht darin, dass Regierungen Kredite bei ihren eigenen Notenbanken aufnehmen, um die zusätzlichen Ausgaben zu finanzieren. Dieses Konzept der "monetären Finanzierung" wird heiss diskutiert - und vielleicht sogar in die Tat umgesetzt. Einige betrachten dies nur als eine Erweiterung der Rettungsprogramme, die nach der Finanzkrise von 2008 geholfen haben. Andere halten dies für einen gefährlichen Weg, der schon einmal zu einer Inflation geführt hat, die ausser Kontrolle geriet.

1. Was ist «monetäre Finanzierung»?

Bei einer monetären Finanzierung erhöht ein Land seine Ausgaben und schafft gleichzeitig das Geld, um diese Ausgaben zu bezahlen. Dies geschieht normalerweise über Notenbanken, die entweder Staatsanleihen kaufen können, um Lücken im Budget zu schliessen - oder einfach einen Überziehungskredit anbieten, damit überhaupt keine Anleihen ausgegeben werden müssen. In beiden Fällen wird oft gesagt, dass es zu einer "Monetisierung der Schulden" führt, weil dabei Politiker Schulden in Geld verwandeln.

Der Anreiz während einer Pandemie ist offensichtlich: Regierungen geben überall Rekordsummen aus, um Haushalte und Unternehmen zu retten. Das wirft die Frage auf, ob die Finanzmärkte diese aussergewöhnliche Flut von Staatsschulden überhaupt verkraften können.

2. Was ist der Unterschied zu QE?

Bei der monetären Finanzierung gibt es eine explizitere Zusammenarbeit zwischen Finanzministerien und Notenbanken, wobei letztere beispielsweise Staatsanleihen direkt kaufen statt auf dem Sekundärmarkt. Im Allgemeinen sind jedoch die Grenzen verschwommen. Die Programme der quantitativen Lockerung (Quantitative Easing - QE) wurden nach der Krise 2008 eingeführt, um die Kreditkosten für die gesamte Wirtschaft zu senken - nicht nur für Regierungen, die sich immer weiter verschulden. Die von den Zentralbanken gekauften Anleihen sollten letztlich zurück an die Kapitalmärkte verkauft werden, und sich nicht in ihren Bilanzen anhäufen.

In der Praxis jedoch waren Regierungen die Hauptkreditnehmer, die die niedrigen Zinsen verursacht durch die QE-Programme in Anspruch genommen haben. Die Zentralbanken halten so viele von diesen Schuldpapieren, dass nur wenige einen kompletten Abbau erwarten - vor allem in Japan, wo diese Politik schon ein Jahrzehnt vor allen anderen ins Leben gerufen wurde.

3. Wer geht in der Corona-Krise zur monetären Finanzierung über?

Es ist schwierig zu bestimmen, wo die Grenze zur monetären Finanzierung verläuft, und welche Länder den Rubikon überschritten haben. Aber der Trend in diese Richtung lässt sich leicht ausmachen. Notenbanken in Grossbritannien und Neuseeland haben ihren Regierungen Überziehungskredite eingeräumt, aber betont, dass dies nur vorübergehend der Fall ist. Normalerweise halten sich Schwellenländer bei unkonventionellen Massnahmen zurück, aus Angst davor, Anleger abzuschrecken - doch auch Länder wie Indonesien und Polen haben damit angefangen, Staatsschulden zu kaufen.

In Indien tobt gerade eine Debatte darüber, ob Politiker einen mutigeren Schritt in diese Richtung wagen sollten. In den grössten Volkswirtschaften haben die Zentralbanken die Kreditvergabe und parallel die Regierungen ihre Ausgaben erhöht. Das gilt besonders für die USA: die Federal Reserve kauft Staatsanleihen in einem solchen Ausmass an, das 2008 in den Schatten stellt und an die monetären Finanzierungsvereinbarungen des Zweiten Weltkriegs erinnert.

4. Was spricht für die monetäre Finanzierung?

Das Virus hat die Privatwirtschaft überall zum Stillstand gebracht. Das hat das Kalkül der Entscheidungsträger verändert, die für die öffentlichen Gelder zuständig sind - das einzige verfügbare Mittel, um die riesige Nachfragelücke zu schliessen und eine noch tiefere Depression zu verhindern. Es wird argumentiert, dass es sich um einen einmaligen Notfall handelt, und Sparen nun ein grösseres Risiko darstellen würde: Besser jetzt so viel ausgeben, wie notwendig ist, um Unternehmen und Haushalte über Wasser zu erhalten, die Hilfsleistungen mit allen erforderlichen Mitteln zu finanzieren und sich später erst um die langfristigen Folgen zu kümmern.

Die Erfahrung zeigt, dass Regierungen nicht wie Haushalte funktionieren und Schulden nicht auf die gleiche Weise zurückzahlen müssen. Laut der modernen Geldtheorie (Modern Monetary Theory - MMT), ein neuer Ansatz, der immer mehr Einfluss gewinnt, macht es keinen grossen Unterschied, ob die Staatsausgaben mit Staatsanleihen oder Zentralbankreserven finanziert werden - beides sind letztendlich Verbindlichkeiten des Staates. Das Jahr 2008 hat gezeigt, dass Regierungen und Notenbanken Geld in stagnierende Wirtschaften pumpen können, ohne eine Inflation auszulösen.

5. Was spricht gegen die monetäre Finanzierung?

Es kann auf Dauer nicht gut gehen. Es besteht die Befürchtung, dass Politiker irgendwann zu weit gehen werden, wenn ihnen die Macht der Geldschöpfung in die Hand gegeben wird. Angetrieben von Wahlplänen oder anderen kurzfristigen Zielen werden sie zu viel "kostenloses Geld" in die Wirtschaft pumpen. Die Geschichte ist voll mit Beispielen, zu welchen verheerenden Auswirkungen der Verlust der Währungsdisziplin führen kann - von der Weimarer Republik vor einem Jahrhundert bis zum heutigen Lateinamerika.

Aus diesem Grund haben moderne Industriestaaten die Aufgabe, Geld in Umlauf zu bringen, an unabhängige Zentralbanken übergeben und halten gewählte Politiker von der Notenbankpresse fern. Daher besitzen ihre Währungen Glaubwürdigkeit - ein hart erkämpftes Gut, das aber auch schnell wieder verloren gehen kann.

(Bloomberg)