Die Schweiz hat sich mit rund 140 weiteren Staaten dazu bekannt, dass grosse international tätige Unternehmensgruppen mit über 750 Millionen Euro Umsatz mindestens 15 Prozent Steuern bezahlen sollen. In Teilen der Schweiz entrichten mehrere Konzerne heute tiefere Steuern. Von der Reform betroffen sind laut Schätzungen des Bundes wenige hundert inländische sowie wenige tausend ausländische Unternehmensgruppen, nicht aber KMU.

Eine Verfassungsänderung soll die ungleiche Behandlung der betroffenen multinationalen Unternehmen und den übrigen 99 Prozent der Unternehmen im Land ermöglichen. Gestützt darauf will der Bundesrat die Mindestbesteuerung ab 2024 zunächst mit einer Verordnung und danach mit einem Gesetz umsetzen. Volk und Stände stimmen am 18. Juni über die Verfassungsänderung ab.

Es geht um Milliarden

Zwar ist die Umsetzung des weltweiten Steuerprojekts freiwillig. Bezahlt ein Konzern in einem Land aber weniger als 15 Prozent Steuern, so kann er künftig von anderen Ländern besteuert werden, bis die Schwelle erreicht ist.

Die finanziellen Folgen der Vorlage sind schwierig zu schätzen, weil einige Details der OECD-Reform noch nicht geklärt sind. Für das erste Jahr erwartet der Bund Mehreinnahmen durch die Ergänzungssteuer von 1 bis 2,5 Milliarden Franken.

Die Mehreinnahmen sollen gemäss Vorlage auch zur Förderung der in der Schweiz tätigen internationalen Unternehmen eingesetzt werden, um Arbeitsplätze und Steuereinnahmen zu sichern. Das Geld soll also indirekt wieder in die Unternehmen zurückfliessen.

Sichere Rahmenbedingungen schaffen

Bundesrat und Parlamentsmehrheit empfehlen die Vorlage zur Annahme. SVP, Mitte-Partei, FDP, GLP und EVP machen sich im Abstimmungskampf gemeinsam für ein Ja zur Umsetzung der OECD-Steuerreform stark. Auch Wirtschaftsverbände, Kantone, Städte und Gemeinden stellen sich hinter die Vorlage. Diese schaffe stabile Rahmenbedingungen und sichere dem Land Steuereinnahmen und Arbeitsplätze, lautet ihr Tenor.

Nur mit einer raschen Umsetzung der Reform könne verhindert werden, dass Milliarden-Steuereinnahmen ins Ausland flössen, argumentieren sie. Gerade in Krisenzeiten sei es wichtig, Stabilität zu garantieren. Bei einem Nein würde die Wettbewerbsfähigkeit geschwächt, so der Tenor der Befürworter. Eine alternative Umsetzung ab 2024 sei illusorisch.

Die im Parlament ausgehandelte Lösung, wonach die Mehreinnahmen zu drei Vierteln bei den Kantonen bleiben und ein Viertel an den Bund gehen, bezeichnen die Befürworter als ausgewogenen Kompromiss. Somit könnten die Kantone massgeschneiderte Standortverbesserungen für die grossen Unternehmen in ihrer Region anbieten.

Geld anders verteilen

Das sehen SP und der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) anders. Sie bezeichnen die Vorlage im Abstimmungskampf als "bürgerliches Buebetrickli" sowie als "Lex Zug". Die Tiefsteuerkantone profitierten, während der Grossteil der Bevölkerung leer ausgehe. Es sei eine Reform für die Reichsten und die multinationalen Konzerne.

Laut dem linken Bündnis heizt die Vorlage den Steuerwettbewerb weiter an. Bei einer Ablehnung des Geschäfts könne das Parlament sofort eine bessere Vorlage beschliessen, von der die gesamte Bevölkerung etwas habe. Die Gegner der aktuellen Vorlage fordern etwa, dass die Mehreinnahmen zu gleichen Teilen an Bund und Kantone fliessen sollen. Im Parlament war dieser 50/50-Ansatz gescheitert.

Umfragen deuten auf Ja hin

Die Entwicklungshilfe-Organisation Alliance Sud bemängelt, dass mit der Vorlage das Ziel von mehr Steuergerechtigkeit nicht erreicht werde. Die Konzerne verschöben weiterhin Gewinne in die Schweiz, die eigentlich Entwicklungsländer zugute hätten. Über fünfzig Länder drohe der Staatsbankrott, während die reiche Schweiz auch mit der Reform ein Tiefsteuerland bleibe.

Die Umfragen deuten gut einen Monat vor der Abstimmung auf ein Ja hin. Die SRG-Umfrage im Auftrag des Instituts gfs.bern ergab einen Ja-Stimmen-Anteil von 84 Prozent. 12 Prozent äusserten sich demnach ablehnend. Bei der früher publizierten Umfrage von Tamedia und "20 Minuten" in Zusammenarbeit mit Leewas war das Ergebnis ähnlich deutlich: 77 Prozent Ja zu 18 Prozent Nein bei 5 Prozent Unentschlossenen.

(AWP)