Mit gut 52 Prozent schickte die Stimmbevölkerung die Verrechnungssteuerreform bachab. Das Resultat ist knapper als jenes im Februar zur Stempelsteuer, aber dennoch ein Erfolg für die Linke. Insbesondere die SP hat damit ihre Referendumsmacht in Steuerfragen manifestiert.

Ganz offensichtlich schwinde in der Stimmbevölkerung das Verständnis für wirtschaftliche Zusammenhänge, sagte Finanzminister Ueli Maurer am Abend des Abstimmungssonntags vor den Medien in Bern. Das sei bedauerlich. "Wir senden damit nicht sehr gute Signale aus für internationale Konzerne aus."

Kurswechsel gefordert

Die Reform hätte allen genutzt und dem Fiskus nach fünf Jahren Mehreinnahmen von 350 Millionen Franken gebracht, bekräftigte der Verband Swissholdings sein Kernargument im Abstimmungskampf. Mit dem Nein blieben die die stetig wachsenden Herausforderungen im internationalen Steuerwettbewerb vorerst bestehen, beklagte der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse nach der Niederlage.

Die Gewinner forderten dagegen einen Kurswechsel: "Es braucht endlich eine Steuerpolitik für die Bevölkerung und nicht laufend zusätzliche Entlastungen für die Konzerne", schrieb die SP. "Bevor weitere Entlastungsschritte für Unternehmen und Kapital realisiert werden, sind erst einmal Ehepaare und Familien an der Reihe", liess die EVP verlauten.

Nach dem heutigen Tag muss sich die bürgerliche Seite gut überlegen, ob sie auch in Zukunft gegen eine breite Mitte-Links-Opposition Finanz- und Steuervorlagen umsetzen will.

OECD-Mindeststeuer auf dem Prüfstand

Für Mitte-Präsident Gerhard Pfister muss es in der künftigen Steuerpolitik darum gehen, den Mittelstand und die Familien zu entlasten. Bei der Verrechnungssteuerreform sei der Kreis der Betroffenen zu klein gewesen. Gleichzeitig plädierte FDP-Präsident Thierry Burkart dafür, weiter für bessere Rahmenbedingungen für die Wirtschaft zu kämpfen - auch, wenn es schwierige Themen seien.

Dass die Ablehnung ein schlechtes Vorzeichen für die wahrscheinliche Abstimmung über die OECD-Mindeststeuer im nächsten Jahr sei, bezweifelte Maurer. Dieses Projekt bringe Mehreinnahmen. "Es würde mich dann schon erstaunen, wenn man Mehreinnahmen nicht will."

Nächste Woche wird im Parlament darüber debattiert, wie anfallende Steuergelder durch die Einführung der neuen Mindeststeuer verwendet werden sollen. Links und Rechts haben diesbezüglich unterschiedliche Vorstellungen.

Verlierer warnen vor negativen Folgen

In Bezug auf die Verrechnungssteuer ändert sich nach dem Nein nichts. Unternehmen müssen auf Zinserträge auch künftig eine Verrechnungssteuer bezahlen. Die Umsatzabgabe auf inländischen Obligationen bleibt. Die Steuer bezweckt in erster Linie die Eindämmung der Steuerhinterziehung.

Die Befürworter der Vorlage konnten letztlich nicht überzeugend darlegen, dass die Reform die Wirtschaft langfristig stärken sollte. Auf der anderen Seite konnten sie die erwarteten substanziellen Mindereinnahmen nicht negieren. Die Verwaltung gab an, dass die Teilabschaffung der Steuer kurzfristig zu einer Einbusse von einer Milliarde Franken und danach, langfristig, von jährlich rund 215 bis 275 Millionen Franken geführt hätte.

Die Befürworter der Reform befürchten nun, dass noch mehr Gelder ins Ausland abwandern. "Mental ist die Teilabschaffung der Verrechnungssteuer ein Signal an die Wirtschaft, dass die Schweiz gute Rahmenbedingungen schafft", hatte Finanzminister Maurer im Abstimmungskampf gesagt. Dieses Signal ist nun ausgeblieben.

(AWP)