Die Lufthansa hat schon früh in der Corona-Pandemie Mitte März die Hand nach Finanzhilfe des Staates ausgestreckt. Schneller als ihre Konkurrenten liessen die Kranich-Airline und ihre Schwester-Airlines wie Swiss, Austrian und Brussels Flugzeuge am Boden, weil Einreisestopps und Lockdowns zur Abwehr der Krankheit das Passagiergeschäft wegfegten. Seit Wochen ziehen sich die Verhandlungen mit der Bundesregierung, begleitet von vielen politischen Forderungen.

Eine Übersicht über die wichtigsten Fragen und Antworten:

WARUM SOLL DER STAAT DIE LUFTHANSA RETTEN?

Die Lufthansa verbindet Deutschland mit der Welt und ist damit systemrelevante Infrastruktur für Geschäftsreisende der globalisierten Wirtschaft sowie für Urlaubsreisende. Die einst staatliche Fluggesellschaft mit ihrer 65-jährigen Geschichte ist ausserdem ein identitätsstiftendes Aushängeschild des Landes. Der Airline-Gruppe droht wegen der Corona-Krise das Geld auszugehen. Ohne Staatsgeld wäre eine Pleite nicht zu verhindern, womit etwa 138'000 Jobs bei der Lufthansa auf dem Spiel stünden.

UM WIEVIEL GELD GEHT ES?

Die Lufthansa verhandelt mit dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds des Bundes über ein Finanzpaket von neun Milliarden Euro für die gesamte Gruppe. Der Schweizer Bundesrat hat für die Tochter Swiss schon Garantien für Kredite über 1,5 Milliarden Euro zugesagt. Bei Austrian Airlines soll es um 767 Millionen Euro gehen. Die belgische Brussels Airlines hat nach Medienberichten um 390 Millionen Euro gebeten. Das deutsche Paket könnte sich damit um gut 2,6 Milliarden Euro verringern.

WAS SIND DIE STREITPUNKTE?

Da es um den grössten Fall von Staatshilfe für ein Unternehmen in der Corona-Krise geht, ist ein Streit um den Einfluss des Staates auf die Strategie der Lufthansa entbrannt. Schliesslich geht es um Milliarden an Steuergeldern für ein Unternehmen, das allen wichtig ist, aber womöglich noch länger trübe Aussichten hat. Dem Lufthansa-Management, das stolz auf die Privatisierung der Fluggesellschaft vor 23 Jahren ist, wäre der Staat als Feuerwehr in der Krise recht, aber nicht als Co-Manager.

In der Regierungskoalition wollen CDU und CSU Lufthansa-Chef Carsten Spohr möglichst wenig dazwischenfunken. SPD-Abgeordnete hingegen wollen, dass der Staat nicht nur sanfte Kontrolle ausübt, sondern mitreden kann. Denn das Airline-Geschäft berührt viele politische Anliegen: Beschäftigung, Klimaschutz, Standortinteressen der Flughafen-Drehkreuze Frankfurt, München, Zürich, Wien und Brüssel. Und der Berliner Grossflughafen steht vor der Eröffnung.

WELCHE FINANZINSTRUMENTE LIEGEN AUF DEM TISCH?

In Form von staatlich besicherten Krediten könnten rund drei Milliarden Euro fliessen. Die restlichen sechs Milliarden könnte der Staat als stille Beteiligung, mit Aktien oder über eine Wandelanleihe investieren - davon abhängig ist sein Einfluss auf die Lufthansa. Bei der stillen Beteiligung hätte der Bund kein Stimmrecht - sie ist der von vielen Unionspolitikern bevorzugte Weg. Sozialdemokraten pochen auf ein Anteilspaket von 25 Prozent plus einer Aktie, das dem Staat eine Sperrminorität sichert, mit der er strategische Entscheidungen blockieren könnte.

Die Lufthansa will den Staatsanteil laut Verhandlungskreisen unter 20 Prozent halten. Ein Kompromiss wären Wandelanleihen. Damit wäre der Einfluss kleiner - zumindest bis zur Wandlung der Papiere in Aktien. In jedem Fall müsste eine ausserordentliche Hauptversammlung dem Paket zustimmen. Sie muss mindestens drei Wochen vorher einberufen werden.

WAS BEDEUTET DAS FÜR DIE AKTIONÄRE?

Die Aktionäre haben in den vergangenen drei Monaten bereits Kursverluste von mehr als 50 Prozent auf Kurse um 7,60 Euro hinnehmen müssen. Wie viel sie noch verlieren, hängt vom Einstiegspreis des Staates bei einer Kapitalerhöhung ab. Der Mindestpreis liegt eigentlich beim Nennwert von 2,56 Euro je Aktie, was nach Berechnungen von Analysten eine Verwässerung von 17 Prozent bedeuten würde.

Wenn der Staat noch weniger zahlen soll, müsste die Lufthansa vorher einen Kapitalschnitt beschliessen, also die Zusammenlegung von Aktien. Die Analysten der Deutschen Bank halten auch einen Preis von einem Euro je Aktie für möglich. Das aber würde die Finanzierungskraft der Lufthansa am Kapitalmarkt schwächen - und damit die Möglichkeit, den Staat als Aktionär später wieder loszuwerden.

Spätestens im September droht der Lufthansa der Abschied aus dem Dax, der Liga der wertvollsten 30 Aktiengesellschaften in Deutschland. Sie ist an der Börse noch 3,6 Milliarden Euro wert. Grösster Anteilseigner ist der Industrielle Heinz-Hermann Thiele (Knorr Bremse, Vossloh), der mitten in der Krise einen Anteil von zehn Prozent zusammenkaufte.

WIE KANN DER STAAT EINFLUSS NEHMEN UND FÜR WIE LANGE?

Egal, wie der Poker um Aktien oder stille Einlagen ausgeht: Der Staat wird voraussichtlich zwei Vertreter in den Aufsichtsrat der Lufthansa schicken. Offen ist, ob es Politiker werden oder Fachleute - letzteres wäre der Lufthansa lieber. Solange sie die Staatshilfen nicht zurückgezahlt hat, muss der Konzern auf Dividenden, Boni und andere Ausschüttungen verzichten. Die EU-Kommission als oberste Wettbewerbshüterin hat eine Frist von sechs Jahren genannt, in der ein börsennotiertes Unternehmen staatlich gestützt werden kann. Danach wäre eine Sanierung fällig, die in der Regel schmerzhafte Einschnitte bedeuten würde.

DROHT EINE INSOLVENZ?

Nur wenn die Verhandlungen platzen und der Lufthansa das Geld auszugehen droht. Dann könnte sie einen Weg gehen, den der Ferienflieger Condor eingeschlagen hat: ein Schutzschirmverfahren. Das ist ein Insolvenzverfahren für Unternehmen mit guten Überlebenschancen.

Dabei würden aber die Aktionäre aller Voraussicht nach völlig leer ausgehen - und auch die Gläubiger müssten Abstriche machen. Wenn der Staat dann doch einspringt, hätte er ein Unternehmen, das über Jahre nicht mehr kreditwürdig wäre und am Tropf der Bundesregierung hinge. Einen solchen Fall gibt es in Europa bereits: die italienische Alitalia. 

(Reuters/cash)