Russland wird nach Ansicht von US-Aussenminister Antony Blinken seinen Feldzug in der Ukraine nicht zum Erfolg bringen. "Was die Kriegsziele Russlands betrifft, so ist Russland bereits gescheitert und die Ukraine hat bereits Erfolg gehabt", sagte Blinken am Montag nach einem Besuch in der ukrainischen Hauptstadt Kiew. Zusammen mit US-Verteidigungsminister Lloyd Austin hatte er dort drei Stunden mit Präsident Wolodymyr Selenskyj und der ukrainischen Führung gesprochen. Dabei kündigten die beiden Politiker eine schrittweise Rückkehr von US-Diplomaten in die Botschaft in Kiew und die Lieferung moderner Waffen an. Zudem soll weitere Militärhilfe im Umfang von 713 Millionen Dollar für die Ukraine und die Region fliessen.

"Damit werden die von der Ukraine benötigten militärischen Fähigkeiten unterstützt, insbesondere der Kampf im Donbass", sagte ein Beamter des US-Aussenministeriums. "Diese Hilfe wird den ukrainischen Streitkräften auch bei der Umstellung auf fortschrittlichere Waffen und Luftabwehrsysteme helfen, die im Wesentlichen Nato-fähig sind." Die Ukraine selbst werde mehr als 322 Millionen Dollar an neuen US-Hilfen erhalten, kündigten Blinken und Austin an. Die gesamte US-Sicherheitshilfe für die Ukraine seit der Invasion belaufe sich damit auf etwa 3,7 Milliarden Dollar.

Russland warnte die USA vor Waffenlieferungen an die Ukraine. "Wir haben betont, dass es inakzeptabel ist, wenn die USA Waffen in die Ukraine liefern. Wir haben ein Ende dieser Praxis gefordert", sagte der russische Botschafter in den USA, Anatoli Antonow, dem Fernsehsender Rossiya 24. Es sei eine offizielle diplomatische Note an Washington geschickt worden, in der die Bedenken Russlands zum Ausdruck gebracht worden seien. Solche Waffenlieferungen verschlimmerten die Situation und verschärften den Konflikt.

Das russische Aussenministerium hat nach eigenen Angaben den deutschen Botschafter in Moskau einbestellt. Zudem seien 40 Mitarbeiter der deutschen Botschaft zu unerwünschten Personen erklärt worden. Deutschland hatte seinerseits bereits Anfang April 40 russische Diplomaten ausgewiesen.

In Deutschland hielt die Debatte über Lieferungen schwerer Waffen an die Ukraine unterdessen an. SPD-Co-Chefin Saskia Esken äusserte sich verhalten. Die Frage, ob die Industrie dem Land direkt etwa Panzer liefere, stelle sich derzeit nicht, sagte sie. Die Ukrainer würden die Waffensysteme nicht kennen und benötigten langes Training. Der Rüstungskonzern Rheinmetall beantragte bei der Bundesregierung, der Ukraine 100 von der Bundeswehr ausgemusterte Mader-Schützenpanzer zu liefern. Ein Regierungssprecher sagte in Berlin, darüber werde "zeitnah" entschieden.

Guterres in Moskau erwartet

Russische Truppen rückten unterdessen nach ukrainischen und britischen Angaben im Osten der Ukraine vor. Allerdings seien die Geländegewinne wegen mangelnder Logistik nur gering, berichtete das Verteidigungsministerium in London. Der anhaltende ukrainische Widerstand in der südostukrainischen Hafenstadt Mariupol habe die Kampfkraft der russischen Truppen reduziert. Reuters konnte den Bericht nicht verifizieren. Die Nachrichtenagentur Ria berichtete, die russische Luftwaffe habe in der Nacht 56 militärische Ziele in der Ukraine angegriffen. Das Verteidigungsministerium im Kiew erklärte, die ukrainischen Truppen hätten die russischen Vorstösse im Osten des Landes zurückschlagen können.

Auf dem Gelände des Stahlwerks Asowstal in Mariupol blieb die Lage dramatisch. Laut der stellvertretenden ukrainischen Ministerpräsidentin Iryna Wereschtschuk gibt es keine Vereinbarung über einen Fluchtkorridor. Sie reagiert damit auf die Ankündigung Russlands, dass ein Fluchtweg für Zivilisten aus der von ukrainischen Truppen gehaltenen Bastion eingerichtet werden solle. Laut Nachrichtenagentur RIA will Russland über die Lage in Mariupol mit UN-Generalsekretär Antonio Guterres sprechen. Guterres wird am Dienstag zu Gesprächen mit Präsident Wladimir Putin in Russland erwartet. Anschliessend soll er nach UN-Angaben in die Ukraine weiter reisen, um dort Präsident Wolodomyr Selenskyj zu treffen.

Russische und ukrainische Öllager brennen

Aus Russland kamen am Montag Meldungen über ein brennendes Öllager gut 150 Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernt. Am frühen Morgen sei in einem Öllager in Brjansk ein Grossbrand ausgebrochen, teilte das russische Katastrophenschutzministerium mit. Es gab keine unmittelbaren Hinweise darauf, dass das Feuer mit dem Krieg in der Ukraine zusammenhängt. Die Regierung in Kiew äusserte sich zunächst nicht.

Russische Truppen waren am 24. Februar in die Ukraine einmarschiert. Die Regierung in Moskau bezeichnet ihr Vorgehen als Sondereinsatz zur Entmilitarisierung und Entnazifizierung des Nachbarlandes. Sie weist Vorwürfe zurück, Zivilisten anzugreifen. Westliche Staaten sprechen hingegen von einem Angriffskrieg Russlands und Verbrechen gegen die ukrainische Zivilbevölkerung. Seit Beginn der russischen Invasion sind nach Angaben der Vereinten Nationen mehr als fünf Millionen Menschen aus der Ukraine geflohen. Derzeit konzentrieren sich die Kämpfe auf den Osten des Landes. Russland versucht nach eigenen Angaben, den gesamten Donbass zu erobern. Seit 2014 kontrollieren prorussische Separatisten Teile der dortigen Regierungsbezirke Luhansk und Donezk. Zudem will das russische Militär eine Landzunge zur ebenfalls 2014 annektierten Halbinsel Krim sichern. 

Russland weist 40 deutsche Diplomaten aus

Russland weist in einer Vergeltungsaktion 40 deutsche Diplomaten aus. Das russische Außenministerium erklärte am Montag, es habe den deutschen Botschafter in Moskau einbestellt und 40 Mitarbeiter der Vertretung zu unerwünschten Personen erklärt. Man reagiere damit auf die Ausweisung einer erheblichen Zahl russischer Botschaftsangehöriger in Berlin vom 4. April. Bundesaußenministerin Annaela Baerbock erklärte in einer ersten Reaktion: "Den heutigen Schritt haben wir erwartet, gerechtfertigt ist er in keiner Weise."

Die von Deutschland vor drei Wochen ausgewiesenen 40 Angehörigen der russischen Botschaft in Berlin "waren während ihres Aufenthalts in Deutschland nicht einen Tag im Dienste der Diplomatie tätig", erlärte die Grünen-Politikerin weiter. "Vielmehr haben diese Personen jahrelang und systematisch gegen unsere Freiheit und gegen den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft gewirkt." Zudem hätten sie auch diejenigen bedroht, "die bei uns Schutz suchten, das konnten wir nicht länger dulden, und so etwas werden wir auch in Zukunft nicht mehr dulden".

(Reuters)