Letzte Woche präsentierte Swisscom-CEO Urs Schaeppi das letzte Mal Geschäftszahlen als CEO des grössten Schweizer Telecombetreibers. Dass dann vorgestern Dienstag wieder einmal das Swisscom-Netz (und wieder einmal wegen "Wartungsarbeiten") ausstieg, interpretierten Zyniker als symbolische Koinzidenz. Tatsächlich wurde der Swisscom-Chef in den letzten zwei Jahren wegen der Häufung von Pannen oft kritisiert - mitunter wurden gar Rücktrittsforderungen gestellt.

Allerdings, und für Investorinnen und Investoren wichtiger: Schaeppi kann am heutigen Donnerstag einen Triumph vermelden. Die Aktie von Swisscom steigt auf den höchsten Stand seit 22 Jahren. Ein Niveau von 590,40 Franken, welche die Swisscom-Aktie am frühen Handel am Donnerstag erreicht, wurde letztmals Mitte Juni 2000 erzielt - also noch zu Dot.com-Zeiten. In den Jahren 2015 und 2020 stieg die Swisscom-Aktie ähnlich, aber nicht ganz so hoch wie heute. Im März 2000 war die Aktie einmal gar bis auf 738 Franken geklettert.

Swisscom profitiert als ausgesprochen defensiver, dividendenstarker und binnenorientierter Titel seit Monaten natürlich von der Risiko-Aversion der Anlegerinnen und Anleger. Seit Ausbruch des Ukraine-Krieges hat die Aktie 8 Prozent zugelegt, in den letzten sechs Monaten beträgt die Performance 17 Prozent. Der Swiss Market Index hat in den selben Zeiträumen 0,5 Prozent beziehungweise 3,5 Prozent nachgegeben. 

Doch auch vom operativen Geschäft erhält die Aktie Schub. Swisscom hatte zum Jahresstart überraschend gute Geschäfte gemacht. In den ersten drei Monaten wurde mehr Gewinn ein als erwartet eingefahren. Das Unternehmen konnte im hartumkämpften Markt in der Schweiz und in Italien, wo Swisscom seit Jahren mit der Breitband-Tochtergesellschaft Fastweb tätig ist, zulegen. Wobei sich bei den Erstquartalszahlen die übliche Story wiederholte: In der Schweiz erodiert das Geschäft schleichend, während es in Italien wächst. 

Viele Investoren wurden vom Kursanstieg der Swisscom-Aktie überrascht, und die meisten Analysten haben sich mit ihren Kurszielen verschätzt. Die noble Goldman Sachs erhöhte am Donnerstag das Kursziel für Swisscom zwar auf 475 von 450 Franken (was weit unter dem derzeitigen Kurs liegt), beliess die Einstufung auf aber "Sell". Auch der Analyst von Barclays erteilt die Empfehlung "Verkaufen". Immerhin bescheinigt der zuständige Analyst der Swisscom, dass sie eine der "bestplatzierten" Telecomgesellschaften sei bezüglich Inflation. Er begründet dies mit den geringen Energiekosten.

In der Tat empfehlen nur noch vier von 24 von Bloomberg erfassten Analysten die Swisscom-Aktie zum Kauf. Je zehn haben ein "Neutral"- und ein "Verkaufen"-Rating. Viele Experten geben das geringe Wachstumspotenzial und der stark gestiegene Kurs als Begründung an. Das Umfeld von geopolitischer Verunsicherung, Inflation und steigenden Zinsen spricht allerdings nicht dafür, dass die Swisscom-Aktie demnächst einen Schwächeanfall erleidet. Und es würde nicht überraschen, wenn CEO Schaeppi Ende Mai das Unternehmen seinem Nachfolger Christoph Aeschlimann bei einem Aktienkurs von über 600 Franken übergeben könnte.