Für Aktienanleger war das erste TV-Duell zwischen US-Präsident Donald Trump und seinem demokratischen Herausforderer Joe Biden ein Pflichttermin. Denn für die Unternehmen dürfte es einen grossen Unterschied machen, wer die Geschicke der weltweit grössten Volkswirtschaft in Zukunft lenkt. Das gilt besonders, weil auch die Mehrheit im Senat wechseln könnte. Kann eine Partei sowohl Präsidialamt als auch Kongress kontrollieren, kann sie ihre politischen Vorhaben leichter umsetzen.

Einen eindeutigen Sieger gab es nach dem ersten Schlagabtausch für viele Beobachter allerdings nicht. Für Verunsicherung sorgte, dass die Debatte teils chaotisch verlief und geprägt war von gegenseitigen Beleidigungen und persönlichen Angriffen. Trump ließ erneut offen, ob er eine Niederlage am 3. November ohne weiteres hinnehmen werde, und warnte vor massivem Wahlbetrug bei der Briefwahl. Damit wächst unter den Investoren zunehmend die Angst, dass auch die Wahl selbst im Chaos enden könnte.

Davon abgesehen wären weitere vier Jahre Trump manchem Börsianer nur recht. Denn Analysten gehen davon aus, dass Herausforderer Biden die Steuern erhöhen dürfte, was die Gewinne der Firmen schmälern würde. Zugleich erwarten sie aber, dass der Demokrat Infrastrukturprojekte und den klimafreundlichen Umbau der Wirtschaft vorantreibt. Trump dürfte dagegen in einer zweiten Amtszeit Steuern senken und die Deregulierung fördern, was Energiefirmen und Banken zugutekommen dürfte. Im Folgenden einige Vorschläge, was das für ein Aktienportfolio bedeuten könnte:

Die Experten der Credit Suisse halten etwa Steuererleichterungen zum Ausbau der Erneuerbaren Energien für möglich, von denen Solarwerte wie Sunnova, Sun Power oder Enphase Energy profitieren dürften. Auch Elektroautobauer könnten sich wohl freuen. Die Tesla-Aktie hat zwar schon während der ersten Amtszeit Trumps einen beeindruckenden Anstieg um 1000 Prozent hingelegt. Das ist nach Einschätzung von Experten aber noch nicht das Ende der Fahnenstange. "Biden hat neue Steueranreize, staatliche Käufe und andere Maßnahmen vorgeschlagen, um Elektroautos zu fördern", schreibt CFRA-Analyst Garrett Nelson. Auch Autozulieferer, die sich auf grüne Technologien spezialisiert haben, dürften guten Zeiten entgegenblicken, wie Aptiv, BorgWarner oder Viston.

Industrie- und Bauunternehmen könnten von Biden-Sieg profitieren

Biden könnte früh ein größeres Infrastrukturpaket auflegen, was überparteilich positiv aufgenommen werden dürfte, sagt Ryan Detrick, Chefstratege bei LPL Financial. Citi-Analyst Andrew Kaplowitz geht davon aus, dass eine Vielzahl von Industrie- und Bauunternehmen davon profitieren dürften, wie AECOM, Jacobs Engineering und MasTex.

Auch im Handelsstreit mit China dürfte Biden versöhnlichere Töne anschlagen - wenngleich auch die Demokraten China durchaus kritisch gegenüberstehen. "Sollte sich die Handelspolitik weniger auf Zölle konzentrieren, dürften sowohl Importeure als auch Exporteure profitieren", sagt David Joy, Chefstratege bei Ameriprise Financial. JPMorgan zählt in einem Bericht vom Juli Procter & Gamble, Thermo Fisher und 3M zu den möglichen Gewinnern.

Sollte Trump gewinnen, dürfte das bei den Unternehmen für Erleichterung sorgen, die schon von den Steuerkürzungen der ersten Amtszeit begünstigt wurden. JPMorgan nennt im Bericht vom Juli den Telekomkonzern AT&T, den Einzelhändler Target sowie den Entsorger Waste Management als Beispiele für Unternehmen, die bei einem Sieg Bidens in schwierigeres Fahrwasser kommen könnten.

Banken dürften bei Wahlsieg Trumps aufatmen

Auch Banken dürften bei einem Wahlsieg Trumps aufatmen. Schließlich dürfte sie der Republikaner nicht an eine kürzere Leine nehmen - anders als eine demokratische Regierung. Besonders gut wäre es, wenn die Republikaner nicht nur den Präsidenten stellten, sondern auch den Senat verteidigten, schreiben die Analysten bei Keefe, Bruyette & Woods: "Dann bliebe die republikanische Agenda einer geringeren Regulierung intakt." In diesem Szenario stünden die Papiere etwa von Wells Fargo und der Citigroup auf der Kaufliste.

Angesichts der Spannungen in den Beziehungen mit Russland und China dürfte Trump an den hohen Ausgaben für das Militär festhalten, schreiben die Experten von BCA Research. In den USA haben einige der weltweit führenden Rüstungskonzerne ihren Sitz, wie Lockheed Martin oder Raytheon.

Im Energiesektor winken ebenfalls Gewinne - wenngleich an gänzlich anderer Stelle als bei einem Sieg Bidens. Trump leugnet den Klimawandel und setzt sich für Öl und Kohle ein. Daher dürften die meisten Firmen in der Branche profitieren, mit Ausnahme von Solar- und Windkraftunternehmen.

(Reuters)