Nach gut eineinhalb Stunden Gipfel scheint er genug davon zu haben. Er fährt für den Rest des Tages in seinen Golfclub in Sterling im nahen Bundesstaat Virginia. Fotos zeigen Trump wenig später in einem roten Blouson und einer weissen Kappe beim Golfen - während Bundeskanzlerin Angela Merkel und andere Staats- und Regierungschefs über die Strategien zur Eindämmung der Corona-Pandemie beraten.

Am Sonntag, dem zweiten Tag, wehrt sich Trump dann mit den für ihn üblichen Mitteln: über Twitter. Er sei auch am Vortag dabei gewesen, schreibt er, was die "Fake-News-Medien" jedoch "wie üblich" versäumt hätten zu berichten. Später folgt eine aufgezeichnete Rede Trumps zum Thema Klimaschutz, über den der G20-Gipfel diskutiert, mit wütenden Worten gegen das Pariser Klimaschutzabkommen, aus dem die USA unter seiner Führung ausgestiegen sind. Beim Abschlusstreffen lässt er sich schliesslich durch seinen Wirtschaftsberater Larry Kudlow vertreten.

Der noch bis zum 20. Januar amtierende US-Präsident reiste schon früher nicht begeistert zu Gipfeltreffen ins Ausland - genoss dann aber das Rampenlicht. Bei einer Videoschalte ist ein grosser Auftritt aber nicht möglich. Überraschend fehlte auch die Konfrontation mit Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping. Vor der Wahl attackierte Trump ihn unablässig wegen des "China-Virus", wollte ihn wegen der Pandemie "zur Rechenschaft ziehen". Wahlkampfgetöse? Hat Trump keine Lust mehr? Seit fast drei Wochen hat er sich kaum noch öffentlich gezeigt, ist Fragen von Journalisten komplett ausgewichen.

In der Runde der Staats- und Regierungschefs habe sich Trump vor allem selbst gelobt, wird berichtet - trotz seiner Tatenlosigkeit in der Pandemie. Er habe das "aggressive Vorgehen" der US-Regierung erläutert und die Erfolge bei den Behandlungsmöglichkeiten und Impfstoffen betont, die "Millionen Leben retten werden", teilte das Weisse Haus mit. Die Realität sieht anders aus: In den USA gibt es mit zwölf Millionen bestätigten Corona-Infektionen mehr als in jedem anderen Land. Mit mehr als 255 000 Toten liegen die USA einsam an der Spitze, gefolgt von Brasilien (170 000) und Indien (100 000).

Die G20 vereinbaren zwar eine gerechte Verteilung von bezahlbaren Impfstoffen in der Welt, aber in der Runde macht Trump deutlich, dass aus seiner Sicht erstmal alle Amerikaner geimpft werden sollten, wie aus Delegationskreisen verlautete. Eben "Amerika zuerst".

Trumps Verhalten bestätigte, was schon vorher nahe lag: Dieser G20-Gipfel per Videoschalte und mit vorab aufgezeichneten Reden unterschied sich von allen früheren Spitzentreffen. Es fehlten die informellen Gespräche am Rande, die oft wichtiger sind als die grossen Runden. Nach aussen drangen auch nur wenige Bilder. Wie der Auftritt des altersschwachen saudischen Königs Salman, der als Gastgeber grosse Mühe hatte, die zehnminütige Eröffnungsrede zu halten. Der 84-Jährige nuschelte und musste mehrfach mit schwerem Atem neu ansetzen.

Merkel dürfte Trump kaum vermisst haben, als dieser längst beim Golfen war. Die Kanzlerin ist am Sonntag auf den Tag genau 15 Jahre im Amt. Finanzkrise, Eurokrise, Flüchtlingskrise, jetzt Corona - sie hat viel Erfahrung im Umgang mit schwierigen Weltlagen erworben. Auf dem Gipfel wirbt sie für starke Instrumente internationaler Zusammenarbeit: Welthandelsorganisation, Währungsfonds, Weltbank. Multilaterale Zusammenarbeit als Schlüssel zur Corona-Bekämpfung lautet ihre Botschaft. Sie mahnt eine "globale Kraftanstrengung" an. Und sie fordert mehr Geld für die Impfstoff-Initiative Covax und eine stärkere Weltgesundheitsorganisation (WHO).

Zwar nervt die Kanzlerin, dass in Corona-Zeiten die üblichen bilateralen Treffen wegfallen, die ihr am Rande immer sehr wichtig sind. Doch womöglich war es Merkel ganz Recht, dass sie dem saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman nicht die Hand schütteln musste. Angesichts des Gesundheitszustandes des greisen Königs gilt er längst als der starke Mann in Riad. Auch während des Gipfels sass er an der Seite seines Vaters, zumindest bei den Übertragungen. Kritiker sehen den 35-Jährigen auch als Drahtzieher für den Mord an dem saudischen Journalisten Jamal Khashoggi in Istanbul.

MBS, wie er häufig knapp genannt wird, wollte den Gipfel eigentlich für Imagepflege nutzen. Wegen der Corona-Pandemie und eines Gipfels über Video war das jedoch nicht möglich, auch wenn die Gastgeber kaum eine Möglichkeit ausliessen, für sich selbst zu werben. So pries König Salman sein Land, einen der weltweit grössten Produzenten von Erdöl, als Vorreiter bei erneuerbaren Energien. Als Wirtschaftspartner ist Riad für Deutschland und für anderen Staaten aber ohnehin kaum verzichtbar - Menschenrechtsverletzungen hin oder her./lw/DP/fba

(AWP)