US-Präsident Donald Trump hat am Donnerstag die Regierungsstellen angewiesen, bestimmte Medikamente nur noch von US-Herstellern zu beziehen. "Essentielle Medikamente" müssten künftig in den USA hergestellt werden, sagte der Präsident beim Besuch einer Fabrik von Whirlpool im Bundesstaat Ohio.

"Wir werden unsere pharmazeutischen Lieferketten nach Hause bringen, dort wo sie hingehören und wir werden aufhören uns auf China zu verlassen, so wie wir das zuvor mit den Waschmaschinen und den Wäschetrocknern auch gemacht haben", sagte der Präsident.

Der Erlass könnte die Pharmaindustrie durchschütteln

Viele Fragen sind noch offen. So ist unklar, was mit "essentiellen Medikamenten" gemeint ist. Die Arzneimittelbehörde FDA hat nun den Auftrag, eine entsprechende Liste zusammen zu stellen. Doch der Pharma-"Buy American Act" hat das Potential, die Industrie durchzuschütteln. Der Erlass könnte zu einer "erbebenartigen Erschütterung" führen, schreibt das US-Pharmaportal Statnews.

Die Pandemie hat den USA – und Europa – vor Augen geführt, wie sehr sie bei den Medikamenten, vor allem bei den Generika, vom Ausland und insbesondere von Indien und China abhängig sind. Experten gehen davon aus, dass bis zu 90 Prozent der in den USA eingesetzten Nachahmerpräparate zumindest teilweise aus dem Ausland kommen. Entsprechend dramatisch war, als Indien Anfang März die Ausfuhr von 24 Wirkstoffen, darunter mehrere Antibiotika oder das bekannte Schmerzmittel Paracetamol stoppte.

Roche schreibt, das Unternehmen tue alles in seiner Macht Stehende "um eine angemessene Versorgung mit unseren Medikamenten und Tests während der Pandemie sicherzustellen". Aber man könne das nicht alleine tun. "Wir appellieren weiterhin an Regierungen auf der ganzen Welt, eng mit der Industrie zusammenzuarbeiten und uns dabei zu unterstützen, der weltweiten Nachfrage nachzukommen". Dazu gehöre die Gewährleistung des freien Flusses lebenswichtiger Güter über nationale Grenzen hinweg. "Die internationale Zusammenarbeit von Regierungen ist wichtig um, um den globalen Bedarf für medizinische Güter zu decken."

Trump droht mit internationalen Preissystem

Die jüngste Pharma-Order ist nur die letzte einer Reihe von präsenziellen Erlassen, mit denen Donald Trump seit Wochen für Panik sorgt. So berichtete Statnews, es sehe ganz danach aus, als ob die Regierung den individuellen Import aus anderen Ländern, insbesondere Kanada, erlauben werde, wo die Medikamentenpreise tiefer sind; etwas, was die Pharmaindustrie lange vehement bekämpfte.

Zudem verfolgt die US-Regierung Pläne für ein internationales Referenzpreissystem. Das heisst, die US-Preise würden – zumindest für die staatlichen Krankenversicherungen Medicair und Medicaid – aufgrund von Preisen in bestimmten anderen Ländern festgesetzt werden.

Die Folgen eines solchen Referenzsystems wären unabsehbar für die Industrie. Studien zufolge wird die Innovation in der Pharmaindustrie zu 70 bis 80 Prozent vom US-Markt finanziert. Die USA sind der wichtigste Pharmamarkt – auch für die Schweizer Pharmakonzerne. Roche machte 2019 mehr als die Hälfte seiner Pharmaumsätze in den USA (26,7 Milliarden von 48,5 Milliarden Franken).

Eine «radikale und gefährliche Preispolitik»

Entsprechend deutlich sind die Töne, welche die Industrie anschlägt. Stephan J. Ubl, Präsident und CEO des Industrieverbands PhRMA spricht von einer "radikalen und gefährliche Preispolitik, welche den Patienten heute und in der Zukunft schaden wird". In seiner Rede an die Nation von 2020 habe der Präsident gesagt, er werde nie zulassen, dass der Sozialismus die amerikanische Gesundheitsversorgung zerstören werde; doch jetzt wolle er die Medikamentenpreise in den USA aufgrund von Preisen festsetzen, wie sie in Ländern bezahlt würden, welche er zuvor als sozialistisch bezeichnet habe.

Roche schreibt dazu, man glaube, dass es notwendig sei, die Kosten im Gesundheitswesen der USA zu senken. "Gleichzeitig sollten Anreize für die wissenschaftliche Innovation und die Versorgung der Patientinnen und Patienten mit innovativen und lebensverändernden Therapien aufrechterhalten werden", Es sei deshalb entscheidend, wie Kosteneinsparungen erreicht würden. Hier setze man sich für eine verantwortungsbewusste Preispolitik der Industrie, innovative Zahlungsmodelle oder Reformen ein, die sicherstellten, dass Einsparungen direkt bei Patientinnen und Patienten ankommen.

Ablenkungsmanöver im Wahlkampf

Novartis gab auf Anfrage kein eigenes Statement ab, sondern verwies auf die Aussagen des Präsidenten des Pharmaverbandes.

Die Industrie hat nun bis Ende August Zeit, eigene Vorschläge zu machen, wie sie die Medikamentenpreise in den USA dämpfen will.

Ob das alles am Schluss so heiss gegessen wird, wie es gekocht wurde, ist offen. Donald Trump hat sich die Pharmaindustrie bereits zu Beginn seiner Amtszeit zumindest verbal vorgeknöpft. Wirklich passiert ist dann allerdings wenig. Zudem dürfte es bei den Erlassen auch um Wahlkampf gehen und darum, vom eigenen Versagen bei der Bewältigung der Pandemie abzulenken und die Aufmerksamkeit auf die Pharmaindustrie zu lenken.

Grund sich zurückzulehnen, gibt es für die Industrie aber nicht, denn eines ist klar: Von einem Präsidenten Joe Biden hätte sie nicht weniger zu fürchten.  

Dieser Beitrag erschien zuerst auf HZ.ch unter dem Titel "Buy American-Erlass sorgt für Panik in der Pharmaindustrie".