Nach 135 Tagen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine warnte Putin den Westen abermals vor einer direkten militärischen Konfrontation. "Heute hören wir, dass sie uns auf dem Schlachtfeld schlagen wollen. Was soll man dazu sagen? Sollen sie es nur versuchen", sagte Putin in Moskau.  Er warf dem Westen vor, "bis zum letzten Ukrainer" kämpfen zu wollen. Sein Sprecher Dmitri Peskow legte am Freitag nach: Das militärische Potenzial Russlands sei riesig und werde bisher nur zum kleinen Teil eingesetzt, sagte er laut Agentur Interfax.

Putin warnte den Westen zudem vor explodierenden Energiepreisen als Folge westlicher Sanktionen. Falls die Strafmassnahmen weiter liefen, könne es zu katastrophalen Preisanstiegen auf den Energiemärkten kommen. Dies würde den Bürgern in Europa schaden. Versuche, die Abhängigkeit Europas von russischer Energie zu verringern, werde zu höheren Gaspreisen für europäische Länder führen.

Putin hatte mit Blick auf die russische Offensive in der Ukraine zudem gesagt: "Jeder sollte wissen, dass wir im Grossen und Ganzen noch nichts Ernsthaftes begonnen haben." Zugleich versicherte er, Moskau lehne Friedensverhandlungen nicht ab. Einen Gesprächsfaden fanden westliche Politiker mit Lawrow aber nicht beim Aussenministertreffen der 20 grössten Wirtschaftsmächte auf Bali. Der russische Aussenminister verliess bei der Konferenz den Saal gleich nach seiner Rede und wich seinen Kritikern damit aus.

Anschliessend warf Lawrow dem Westen vor, den Übergang zu einer friedlichen Lösung in der Ukraine zu verhindern. Wenn die EU und die USA einen Sieg der Ukraine auf dem Schlachtfeld anstrebten, "dann haben wir wahrscheinlich mit dem Westen nichts zu besprechen", sagte er. Baerbock warf ihm Gesprächsverweigerung vor.

Ukraine kritisiert Propaganda

Die Ukraine ist ohnehin erbost über die russischen Einlassungen. Präsidentenberater Mychajlo Podoljak warf Putin "primitive Propaganda" vor. Präsident Wolodymyr Selenskyj forderte abermals vom Westen weitere Waffenlieferungen. "Je grösser die Verteidigungshilfe für die Ukraine jetzt ist, desto eher wird der Krieg mit unserem Sieg enden und desto geringer werden die Verluste aller Länder der Welt sein", sagte Selenskyj in einer Videobotschaft.

Militärisch steht die Ukraine vor allem in der Region Donezk im Osten unter grossem Druck. Am Freitag meldete das ukrainische Militär allerdings erfolgreiche Angriffe auf Ziele in den von russischen Truppen kontrollierten Gebieten. Selenskyj reiste in die Nähe der Front und verlieh Orden an Soldaten.

Der deutche Kanzler Olaf Scholz bekräftigte den Willen zur Unterstützung. "Wir werden so lange solidarisch sein - das ist jedenfalls mein Wunsch - wie das notwendig ist, damit die Ukraine sich verteidigen kann gegen den furchtbaren und brutalen russischen Angriff", sagte er am Donnerstagabend im ZDF.

Allerdings sind die Folgen des Kriegs und der Sanktionen gegen Russland auch in Deutschland immer deutlicher zu spüren, vor allem wegen der Teuerung und der drohenden Energieknappheit. Darauf reagierten nun Bundestag und Bundesrat. Sie machten den Weg dafür frei, mehr Kohlekraftwerke zur Stromerzeugung heranzuziehen. Ziel ist es, Gas einzusparen und für den Winter einzuspeichern.

Russland hat die Gaszufuhr über die Ostseepipeline Nord Stream 1 gedrosselt. Nächste Woche soll die Leitung für eine Wartung vorübergehend ganz stillgelegt werden. Üblicherweise dauert dies nur einige Tage. Aber es gibt Befürchtungen, dass Moskau die Lieferung dauerhaft stoppt. Kremlsprecher Peskow entgegnete am Freitag, man werde den Gasfluss wieder hochfahren, wenn eine reparierte Gasturbine aus Kanada zurückkomme.

(AWP)