"In der Tat ist das ein Versuch, Nord- und Südkorea in der Ukraine zu schaffen", sagte der Chef des ukrainischen Militärgeheimdienstes, Kyrylo Budanow, am Samstag. Moskau sei es nach mehr als einem Monat Krieg nicht gelungen, das ganze Land zu erobern. Daher werde nun versucht, eine von Russland kontrollierte Region zu schaffen. Budanow kündigte an, dass die Ukraine bald einen Guerillakrieg in den von Russland besetzten Gebieten beginnen werde.

Die von Moskau unterstützte selbst ernannte Volksrepublik Luhansk in der Ostukraine erwägt ein baldiges Referendum über den Beitritt zu Russland. "Ich denke, dass in naher Zukunft ein Referendum auf dem Territorium der Republik abgehalten werden wird", sagte der dortige Separatisten-Anführer Leonid Passetschnik laut lokalen Medien. "Die Menschen werden von ihrem letztendlich verfassungsmäßigen Recht Gebrauch machen und ihre Meinung über den Beitritt zur Russischen Föderation zum Ausdruck bringen."

Russland hatte kurz vor seinem Einmarsch in die Ukraine am 24. Februar die selbst ernannten Volksrepubliken Luhansk und Donezk in der ostukrainischen Separatisten-Region als unabhängig anerkannt. Das russische Verteidigungsministerium hatte am Freitag mitgeteilt, dass die Armee 93 Prozent des Regierungsbezirks Luhansk und 54 Prozent des Bezirks Donezk kontrolliere. Man könne nun die Kontrolle über die Donbass-Region in den Fokus nehmen.

Der Generalstab des ukrainischen Militärs erklärte am Sonntag, Russland habe seine "bewaffnete Aggression in vollem Umfang" fortgesetzt. Allerdings hätten die ukrainischen Streitkräfte sieben Angriffe in den Regionen Donezk und Luhansk zurückgeschlagen. Dabei hätte sie mehrere Panzer und gepanzerte Fahrzeuge zerstört. Die Angaben über die Kämpfe in der Ukraine können nicht unabhängig überprüft werden.

US-Präsident Joe Biden sorgt für Wirbel

Die US-Regierung stellte nochmals klar, dass sie keinen Machtwechsel in Russland anstrebe. "Wie Sie wissen, und wie Sie uns wiederholt sagen hören, haben wir keine Strategie für einen Regimewechsel in Russland oder sonstwo", sagte Aussenminister Antony Blinken zu Reportern in Jerusalem. Am Samstag hatte US-Präsident Joe Biden für Wirbel gesorgt, als er bei einem Besuch in Polen angesichts der russischen Invasion in der Ukraine sagte: Russlands Präsident Wladimir Putin "kann nicht an der Macht bleiben". Das US-Präsidialamt bemühte sich unmittelbar danach, diese Äußerung klarzustellen. Biden habe nicht zu einem Regimewechsel aufgerufen. Vielmehr habe er mit seiner Äußerung gemeint, dass Putin keine Macht auf seine Nachbarländer oder die Region ausüben dürfe.

"Ich denke, der Präsident, das Weiße Haus, hat gestern Abend darauf hingewiesen, dass Präsident Putin ganz einfach nicht ermächtigt werden kann, Krieg zu führen oder sich an Aggressionen gegen die Ukraine oder irgendjemanden zu beteiligen", sagte Blinken bei einem Besuch in Israel. Der Kreml hatte Bidens Äußerungen bereits umgehend scharf kritisiert. "Das ist nicht Sache von Biden. Der russische Präsident wird von den Russen gewählt", sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow der Nachrichtenagentur Reuters. Biden hatte Putin Mitte März im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg in den vergangenen Tagen als "Kriegsverbrecher" und "mörderischen Diktator" bezeichnet.

Die Türkei forderte weiter das Gespräch mit Russland zu suchen, um den Krieg zu beenden. Man dürfe nicht alle Brücken niederbrennen, mahnte Präsidialamtssprecher Ibrahim Kalin.

Russland hat seegestützte Langstreckenraketen eingesetzt

Russland hat nach Angaben des Verteidigungsministeriums in Moskau militärische Ziele in der westukrainischen Stadt Lwiw mit Marschflugkörpern angegriffen. Diese seien eingesetzt worden, um eine Anlage in der Stadt zu treffen, in der Flugabwehrsysteme, Radarstationen und Zielgeräte für Panzer repariert würden, hieß es in einer am Sonntag verbreiteten Erklärung. Zudem sei am Samstag ein von ukrainischen Streitkräften genutztes Tanklager mit Langstreckenraketen attackiert und zerstört worden. "Die Streitkräfte der Russischen Föderation setzen die Offensivaktionen im Rahmen der speziellen Militäroperation fort", so das Ministerium unter Verweise auf die offizielle russische Bezeichnung der Invasion.

Russland habe seegestützte Langstreckenraketen eingesetzt, um ein Arsenal von S-300-Raketen und BUK-Flugabwehr-Raketensystemen in der Nähe von Kiew zu zerstören, hieß es weiter. Russische Streitkräfte hätten zudem eine Reihe von Drohnen zerstört.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj fordert westliche Staaten erneut auf, schwere Waffen an die Ukraine zu liefern. "Wir warten bereits seit 31 Tagen. Wer hat eigentlich das Sagen in der euro-atlantischen Gemeinschaft? Ist es wirklich immer noch Moskau, weil es auf Einschüchterung setzt?" sagte Selenskyj in einer Videoansprache am späten Samstagabend. Kiew brauche Panzer, Kampfflugzeuge und Schiffsabwehrsysteme. "Das alles ist nicht nur für die Freiheit der Ukraine, sondern für die Freiheit Europas." 

(Reuters)