Rund fünf Monate nach ihrer Fertigstellung ist die Ostsee-Gaspipeline Nord Stream 2 noch nicht in Betrieb. Dem Milliarden-Projekt fehlt die Zertifizierung durch die Bundesnetzagentur. EU-Vizepräsident Valdis Dombrovskis sagte bei seinem Besuch in der ukrainischen Hauptstadt Kiew, die Betriebsgenehmigung für Nord Stream 2 liege auf Eis. Die EU werde alles tun, damit Russland nicht die Möglichkeit habe, Erdgas im Ukraine-Konflikt als Waffe einzusetzen.
Es folgen Fakten zu der Pipeline und dem Genehmigungsverfahren:
Die Pipeline
Die Doppelröhre hat eine Länge von je rund 1200 Kilometer. Sie verläuft von der Narwa-Bucht in Russland bis Lubmin in der Nähe von Greifswald. Die in der Schweiz ansässige Projektgesellschaft Nord Stream 2 gehört dem russischen Staatskonzern Gazprom.
An der Finanzierung der Röhre beteiligen sich auch der Düsseldorfer Versorger Uniper und das österreichische Energieunternehmen OMV. Die Gesamtkosten waren auf 9,5 Milliarden Euro beziffert worden.
Was macht die Bundesnetzagentur?
Ein Gremium der Bundesnetzagentur mit drei Mitgliedern prüft, ob das Projekt die geltenden Wettbewerbsbedingungen erfüllt. Ein Thema dabei ist zum Beispiel die notwendige rechtliche Trennung des Besitzers der Pipeline und dem Anbieter des Erdgases, das durch sie fliessen soll. Der russische Gazprom-Konzern ist beides - Gasversorger und Mutter der Projektgesellschaft Nord Stream 2.
Die Bonner Behörde hatte im September mit der Überprüfung begonnen, diese jedoch im November wegen fehlender Nachweise ausgesetzt. Vergangene Woche hatte Nord Stream 2 eine Tochtergesellschaft gegründet, um die Auflagen zu erfüllen. Wann die Netzagentur ihre Überprüfung wieder aufnimmt, ist offen.
Die Rolle der EU-Kommission
Die Bundesnetzagentur leitet ihre Empfehlung an die EU-Kommission weiter. Die Wettbewerbshüter in Brüssel haben dann zwei Monate Zeit für eine Stellungnahme - mit der Option auf eine Verlängerung von nochmal zwei Monaten.
Sollten sich die Gremien in Bonn und Brüssel einig sein, kann eine Zertifizierung rasch erfolgen. Sind sie es nicht, könnte sich der Prozess um weitere Monate verzögern. Die Bundesnetzagentur rechnet früheren Aussagen zufolge nicht mit einer Entscheidung im ersten Halbjahr 2022.
Die Macht des Regulieres
Die Netzagentur ist an das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz angebunden. Dieses muss bestätigen, dass eine Zertifizierung nicht die Versorgungssicherheit in Europa gefährdet. Physisch blockieren kann die Netzagentur einen Betriebsbeginn der Pipeline allerdings nicht.
Sollte Gazprom beginnen, ohne Zertifizierung Gas durch die Doppelröhre zu pumpen, kann die Netzagentur ein Bussgeld von einer Million Euro verhängen - eine Summe, die Gazprom verschmerzen könnte. Zumal die Gewinne, die mit dem Verkauf von Gas bei den derzeit hohen Energiepreisen zu erzielen sind, dieses Bussgeld deutlich übertreffen würden.
(Reuters)