Eine Sondersitzung der UN-Vollversammlung zum Jahrestag des Einmarsches beginnt am kommenden Mittwoch in der UN-Zentrale in New York. Es werden eine Reihe von Aussenministern erwartet.

"Es ist ein Echo von gewissen Resolutionen der UN-Vollversammlung", sagte ein Diplomat der Deutschen Presse-Agentur. Die Strategie der westlichen Unterstützer der Ukraine sei es dabei nicht, komplexe Umrisse für eine Beendigung des Krieges zur Abstimmung zu stellen, sondern so viele Länder wie möglich zu einem "Ja" zu bewegen. Damit wollen sie an die Abstimmungsergebnisse des vergangenen Jahres anknüpfen, als sich im Oktober 143 Staaten gegen Russlands völkerrechtswidrige Annexionen in der Ukraine gestellt hatten.

Dafür sei eine straffe, eher vage Resolution am besten geeignet: "je weniger drin ist, desto besser - denn was zählt, sind die Zahlen", sagte der Diplomat. Ein starkes Ergebnis in der Grössenordnung vergangener Abstimmungen könnte dem Eindruck entgegentreten, es gebe in weiten Teilen der Welt eine Kriegsmüdigkeit und bröckelnden Rückhalt für Kiew. Nach westlicher Einschätzung baut Russlands Präsident Wladimir Putin auf schwindende Unterstützung für die Ukraine.

Hinter den UN-Kulissen wurde in den vergangenen Monaten diskutiert, wie progressiv eine Resolution zum Jahrestag der Invasion sein könne. UN-Kreisen zufolge hatte die Ukraine an Resolutionen gearbeitet, die ein Kriegsverbrechertribunal umreissen sowie an einem Text, der einen Zehn-Punkte-Friedensplan des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in ein UN-Dokument überführen würde. Beide Ideen wurden für die Abstimmung, die am Donnerstag erwartet wird, aufgegeben.

In dem Text tauchen nun eher vage Formulierungen zum Ende des Krieges auf: Das Erreichen eines umfassenden Friedens, der notwendig sei, würde "einen wesentlichen Beitrag zur Stärkung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit leisten", heisst es dort. Im Weiteren wird ein vollständiger Austausch von Kriegsgefangenen verlangt und die Notwendigkeit betont, dass Verantwortliche für die schwersten Kriegsverbrechen zur Rechenschaft gezogen werden müssten.

Selenskyj begrüsst Gefangenenaustausch

In seiner abendlichen Videobotschaft in Kiew begrüsste Präsident Selenskyj die Rückkehr von 100 Soldaten aus russischer Kriegsgefangenschaft. Auch der erste stellvertretende Bürgermeister der als Standort des grössten europäischen Atomkraftwerks Saporischschja bekannten Stadt Enerhodar sei wieder in Freiheit. "Ich bin glücklich für die mehr als 100 Familien, deren Söhne, Brüder und Ehemänner zurückkehren", sagte er. Russland hatte auch 101 Soldaten aus ukrainischer Gefangenschaft erhalten.

Zugleich betonte Selenskyj, dass der Kampf sich weiter darauf konzentriere, die Frontlinie unter Kontrolle zu behalten und sich auf neue Eskalationsschritte des Feindes vorzubereiten. "Das Voranschreiten bei der weiteren Befreiung unseres Landes hat Priorität", sagte Selenskyj. Dafür seien Lieferungen von Waffen und Munition des Westens sowie die Ausbildung des Militärs notwendig.

Chodorkowski erwartet keinen Frieden mit Putin an der Macht

Der Kremlgegner Michail Chodorkowski glaubt nicht an eine Friedenslösung für die Ukraine mit Putin. "Solange Putins Regime an der Macht ist, wird der Krieg nicht enden", sagte Chodorkowski am Donnerstag in München vor dem offiziellen Beginn der Münchner Sicherheitskonferenz (MSC). Er diskutierte Thesen seines neuen Buches "Wie man einen Drachen tötet. Handbuch für angehende Revolutionäre", das im Europa Verlag erscheint.

Ukraine: 250 Millionen Euro von russischem Oligarchen beschlagnahmt

Unterdessen erhält die Ukraine nach einem Gerichtsbeschluss und nach Angaben des Geheimdienstes in Kiew Vermögen des russischen Oligarchen Oleg Deripaska im Wert von umgerechnet 250 Millionen Euro. Der Oberste Anti-Korruptions-Gerichtshof der Ukraine habe eine Entscheidung des Justizministeriums in Kiew bestätigt, nach der Deripaskas Firmen, Grundstücke und Beteiligungen dem Staat übereignet werden, teilte der Geheimdienst am Donnerstagabend mit. Die Ukraine will mit dem Geld Kriegsschäden kompensieren.

Deripaska, der Kremlchef Putin nahesteht und als Unterstützer des Angriffskriegs gegen die Ukraine auch im Westen mit Sanktionen belegt ist, gehört zu den reichsten Russen. Der Multimilliardär, der unter anderem im Aluminiumgeschäft reich geworden ist, habe über ein Firmengeflecht und Geschäftsstrukturen in verschiedenen Regionen der Ukraine Unternehmen geführt, hiess es.

Was am Freitag wichtig wird

Staatschef Selenskyj eröffnet die Münchner Sicherheitskonferenz mit einer Videoansprache. Anschliessend reden Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und der französische Präsident Emmanuel Macron bei dem Treffen von Politikern und Experten aus 96 Ländern, das bis Sonntag dauert. Im Mittelpunkt der Konferenz wird der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine stehen, der vor einem Jahr begonnen hat./scb/DP/zb

(AWP)