Biden sprach anlässlich des bevorstehenden ersten Jahrestags des Kriegsbeginns in der Ukraine an diesem Freitag am Königsschloss in der polnischen Hauptstadt. Das Schloss gilt als Symbol der im Zweiten Weltkrieg einst grossteils zerstörten und später wiederaufgebauten Stadt. Nur wenige Stunden zuvor hatte Kremlchef Putin in Moskau eine Rede zur Lage seiner Nation gehalten und die Aussetzung des letzten grossen Atom-Abrüstungsvertrags angekündigt.

Biden machte nun erneut deutlich, dass das Bekenntnis der Vereinigten Staaten zum Nato-Bündnis und zu Artikel Fünf felsenfest sei. In Artikel Fünf ist geregelt, dass sich die Bündnispartner verpflichten, bei einem bewaffneten Angriff gegen einen oder mehrere von ihnen Beistand zu leisten. Die Unterstützung für Kiew werde nicht versiegen, betonte Biden. Der Krieg habe den Westen gestärkt und zudem auch Finnland und Schweden in die Arme der Nato getrieben, sagte er. "Die Ukraine wird niemals ein Sieg für Russland sein."

Biden kündigte ausserdem neue Sanktionen noch in dieser Woche an, "die alle Verantwortlichen dieses Krieg zur Rechenschaft ziehen". Es gehe darum, Gerechtigkeit für die Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit herzustellen, die von den Russen weiterhin begangen würden.

Der US-Präsident wandte sich in seiner Rede schliesslich an die Menschen in Russland. "Die Vereinigten Staaten und die europäischen Nationen wollen Russland nicht kontrollieren oder zerstören", sagte er an sie gerichtet. Der Westen habe vor Kriegsbeginn nicht vorgehabt, Russland anzugreifen, wie Putin behaupte. "Jeder Tag, an dem der Krieg weitergeht, ist seine Entscheidung. Er könnte den Krieg mit einem Wort beenden. Es ist ganz einfach."

Die angegriffene Ukraine schwor Biden darauf ein, dass es weiterhin "harte und sehr bittere Tage, Siege und Tragödien" geben werde. Der 80-Jährige kam auch auf seine Reise nach Kiew am Montag zu sprechen. "Vor einem Jahr bereitete sich die Welt auf den Fall von Kiew vor", betonte er. Er habe sich aber nun vor Ort davon überzeugen können, dass Kiew stark sei. Die ukrainische Hauptstadt stehe "stolz", "aufrecht" und "frei". Biden war unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen nach Kiew gereist und hatte gemeinsam mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj symbolträchtige Orte in der Millionenmetropole besucht.

Es ist bereits Bidens zweite Rede vor der historischen Schlosskulisse in Warschau. Der US-Präsident hatte das Nachbarland der Ukraine zuletzt Ende März 2022 besucht, rund einen Monat nach Ausbruch des Kriegs. Schon damals hatte der Ukraine Beistand versichert und Kremlchef Putin scharf angegriffen. Dieses Mal sprach Polens Präsident Andrzej Duda einleitende Worte vor Bidens mit Spannung erwarteter Ansprache. "Ich rufe alle Staats- und Regierungschefs der europäischen Nato-Länder auf, sich mit der Ukraine zu solidarisieren, die Ukraine zu unterstützen und ihr ständig militärische Unterstützung zukommen zu lassen, damit die Verteidiger der Ukraine etwas haben, womit sie kämpfen können", sagte er.

Duda hatte zuvor betont, er sehe die Anwesenheit von US-Truppen als wichtiges Element der Sicherheit seines Landes. In dem östlichen Nato- und EU-Mitgliedsland befinden sich nach Angaben des Verteidigungsministeriums in Washington bereits etwa 11 000 US-Soldaten, die meisten auf Rotationsbasis. Die Regierung in Warschau hofft auf eine noch grössere US-Militärpräsenz. Polen hat eine mehr als 500 Kilometer lange Grenze zur Ukraine. Polen nahm nicht nur gut 1,5 Millionen Kriegsflüchtlinge von dort auf, sondern preschte in den vergangenen Monaten auch immer wieder mit Initiativen zur militärischen Unterstützung für Kiew vor./nau/DP/nas

(AWP)