Die Verbraucherpreise in der Eurozone stiegen zuletzt um mehr als 5 Prozent, in manchen Ländern wie Litauen sogar zweistellig. In Deutschland lag die Teuerung im Januar bei 5,1 Prozent.
Bloomberg-Reporter berichten, was das vor Ort bedeutet.
Deutschland
- Inflationsrate im Januar: 5,1Prozent; Prognose für 2022: 3,7 Prozent
In Deutschland geht die Teuerung auf Kosten der Armen, wie Hilfsorganisationen berichten. Die Nachfrage bei den Tafeln etwa steigt, wie Griseldis Grey, Leiterin des Ortszentrums der Tafeln in Brandenburg an der Havel.
Die Anfragen nehmen zu, nachdem die jährlichen Stromrechnungen mit horrenden Preissteigerungen eingegangen sind. Menschen, die bisher gezögert hätten, Hilfe anzunehmen, sehen sich nun dazu gezwungen.
Bei den Tafeln selbst ist Inflation ebenso ein Thema: Kraftstoffkosten für 2'500 Fahrzeuge müssen bezahlt, Stromrechnungen für Kühlhäuser beglichen werden. Als Folge bitten die Ortsvereine verstärkt um Spenden oder Unterstützung der Kommunen, so Jochen Brühl, der Leiter der Tafel Deutschland e.V.
Höhere Preise führen zu einer grösseren Wertschätzung für Lebensmittel, sagt Brühl. Die, die kommen, bitten vermehrt um frisches Obst, Gemüse und Milchprodukte.
Frankreich
- Inflationsrate Januar: 3,3 Prozent; Prognose für 2022: 2,8 Prozent
Frankreichs nationales Heiligtum ist das Baguette. Es illustriert, wie die Grande Nation mit steigenden Preisen umgeht.
Die Brotpreise sind in den letzten 20 Jahren um gerade einmal 23 Cent gestiegen. Sogar während der jüngsten Inflationswelle blieben sie stabil – obwohl Bäcker mit steigenden Kosten für die Zutaten sowie einer Erhöhung des Mindestlohns zu kämpfen haben.
Dominique Anract, Vorsitzender des französischen Verbands der Bäckereien und Konditoreien, nennt als Grund die Scheu, die Kosten an die Verbraucher weiterzugeben. Die Leute seien sensibel für solche Preiserhöhungen und die Bäcker wollten nicht die Buhmänner sein. Stattdessen würden die Preise für Kuchen und Gebäck heraufgesetzt.
Nicht nur die Bäcker versuchen, die Franzosen abzuschirmen. Die Regierung nimmt enorme Kosten auf sich, um Strom- und Gaspreise zu deckeln - eine Massnahme, die laut Schätzungen die Gesamtinflation um etwa einen Prozentpunkt gesenkt hat.
Italien
- Inflationsrate Januar: 5,3 Prozent; Prognose für 2022: 3,8 Prozent
Marco Campione, der vier Friseursalons unter anderem im Zentrum von Rom besitzt, spürt das Anziehen der Inflation bei den kleinen Dingen.
Als Konsument sähe man bislang "keine grossen Steigerungen, aber die Dinge summieren sich und am Ende des Monats stellen Sie fest, dass Sie 100 bis 200 Euro mehr ausgegeben haben", sagt Campione. "Als Geschäftsmann spüre ich es mehr und ich denke, wir stehen vielleicht vor einer Beschleunigung. Wir versuchen, ruhig zu bleiben und die Preise nicht zu erhöhen, aber es könnte schnell ausser Kontrolle geraten."
Vor der Eisdiele bei ihm um die Ecke steht derweil ein Schild: "Aufgrund der kontinuierlichen und exponenziellen Verteuerung von Rohstoffen waren wir gezwungen, die Preise zu erhöhen." Gelato kostet dort jetzt 3 Euro statt 2,50 Euro vor ein paar Monaten.
Litauen
- Inflationsrate Januar: 12,2 Prozent; Prognose für 2022: 6,7 Prozent
Karolina Kirbyte, eine 28-jährige Mutter aus Litauen, macht manchmal einen Abstecher nach Polen, wenn sie ihre Familie in der Nähe der Grenze besucht. Diesen Monat jedoch hat sie auf dem polnischen Supermarkt kaum einen Parkplatz gefunden vor lauter Autos mit litauischen Kennzeichen. Die Schlange dauerte eine Stunde, manche ihrer Landsleute waren 100 Kilometer weit gefahren.
Litauen hat derzeit die höchste Inflation in der Eurozone. Preise für Lebensmittel steigen zweistellig. Kirbyte, die in Vilnius lebt, nennt die Preise "brutal".
"Wir gehen etwa einmal im Monat zum Einkaufen nach Polen und das hilft, Geld zu sparen", sagt sie. "Wenn wir alles für unser Kind in Litauen kaufen müssten – Lebensmittel, Windeln, Kleidung –, wäre das sehr schwer."
Spanien
- Inflationsrate Januar: 6,2 ProzentPrognose für 2022: 3,6 Prozent
Paloma Jaudenes hat vor fast einem Jahrzehnt ihr erstes Kinderbekleidungsgeschäft in der spanischen Stadt Cartagena eröffnete. Die Mutter von vier Kindern führt inzwischen eine kleine Damenbekleidungskette.
"Jeden Tag bekomme ich E-Mails von Lieferanten, in denen die Preise erhöht werden", sagt die 44-Jährige. "Alles ist jetzt teurer – von Kraftstoff über Transport bis Baumwolle. Ich bin im Kriegswirtschafts-Modus."
Jaudenes hat ein neues, günstigeres Lager angemietet, die Arbeitszeit einiger Mitarbeiter verringert und mit Anbietern um billigere Plastiktüten und Preisschilder gefeilscht. In ihrer Heimatregion Murcia wurde sie zur lokalen Berühmtheit, nachdem sie mehr als 6.500 Likes für einen Tweet über ihre nahezu verdoppelte Stromrechnung bekommen hat.
"Ich lebe jetzt von einem Tag auf den anderen", sagt sie. "Es ist unmöglich, Pläne für die Zukunft zu machen."
(Bloomberg)