Bleiben wir in der Europäischen Union oder nicht? Seit Wochen steht das Geschehen auf der britischen Insel im Zentrum des Interesses von ganz Europa. Politiker, Ökonomen und Börsianer fiebern dem kommenden Freitag entgegen. Dann stehen die Resultate des Referendums fest.

Doch bis dahin stehen einige hochspannende Stunden an. Das sind die wichtigsten Zwischenschritte in der Brexit-Nacht:

  • Die Abstimmung findet am 23. Juni statt. Die Urnen schliessen um 23:00 Uhr mitteleuropäischer Zeit (22 Uhr lokale Zeit). Anders als bei britischen Parlamentswahlen finden keine Wählerbefragungen (sogenannte Exit Polls) statt. Stimmberechtigt sind grundsätzlich alle Bürgerinnen und Bürger des Vereinigten Königreichs. Auch Angehörige des Commonwealth (Indien, Australien, Pakistan etc.) und der britischen Überseegebiete können eine Stimme abgeben. Aber nur wenn sie in Grossbritannien leben. Wichtig für die Schweiz und den Franken: Der Devisenhandel ist in Ozeanien bereits im Gang.
  • Die Unterlagen der Stimmberechtigten werden anschliessend in 382 lokale Zentren transportiert, wo sie ausgezählt werden. Jedes Abstimmungszentrum veröffentlicht die ausgezählten Resultate separat. Zu welchem Zeitpunkt das geschieht, kann nur geschätzt werden. Die "Press Association" hat diesbezüglich einen zeitlichen Ablauf erstellt. Die Pro- und Kontra-Stimmen werden laufend aufaddiert. Es hängt also von der Auszählgeschwindigkeit und der Knappheit des Resultats ab, wann ein vorzeitiger Sieger verkündet werden kann.
  • Bereits kurz nach 01:00 Uhr werden die Resultate aus Gibraltar und Isles of Scilly eintrffen. Doch viel Information wird daraus nicht abgeleitet werden können. Von der Gesamtbevölkerung von 65 Millionen leben nur 2000 auf Isles of Scilly im Südwesten Englands. Auf der Halbinsel Gibraltar sind 33'000 Briten zuhause.
  • Spannender wird es wenig später. Die ausgezählten Stimmzettel aus den Grossstädten im Nordosten, Sunderland und Newcastle, werden für 01:30 Uhr erwartet. Doch daraus bereits einen nationalen Trend abzuleiten, wäre noch zu früh.
  • Um 01:45 dürfte die City of London soweit sein. Gemäss Umfragen gilt das Herz der Londoner Finanzindustrie als stark EU-freundlich und ist deshalb ebenfalls nicht repräsentativ. Zudem ist die "City" das zweitkleinste Wahlzentrum ganz Grossbritanniens. Um 02:00 Uhr öffnet der japanische Aktienmarkt - ein erster Eindruck, wie die Finanzgemeinde den bisherigen Abstimmungsverlauf einschätzt.
  • 03:00 Uhr: Rund 40 Resultate dürften zu dieser Zeit öffentlich sein. Darunter Londoner Quartiere wie Wandsworth oder Westminster.
  • Ihren Höhepunkt erreichen die Auszählungen um 05:00 Uhr. Knapp 100 Resultate werden zu dieser Stunde erwartet. Darunter mit Nordirland und Birmingham die bevölkerungsmässig grössten Zentren (2,9 Millionen). Beobachter rechnen damit, dass zu dieser Zeit eine Vorentscheidung fallen könnte.
  • Eine Stunde später, um 06:00 Uhr, kommen News aus weiteren Grossstädten: Glasgow, Manchester und Liverpool. Nun stehen nur noch 30 Resultate aus.
  • Die letzten Wahlzentren sollten ihre Auszählungen um 08:00 Uhr veröffentlichen. Arun an der Südküste, Waveney an der Ostküste und Harborough in Mittelengland haben zusammengenommen eine Bevölkerung von 350'000. Der Abstimmungsverlauf müsste bis hierhin extrem knapp verlaufen, damit diese Regionen noch das Zünglein an der Waage spielen könnten.
  • Kurz nach 08:00 Uhr kommt der grosse Auftritt von Jenny Watson, der Auszähl-Chefin (oder Englisch: Chief Counting Officer). Sie verkündet in Manchester das endgültige Resultat. Einige Börsen haben dann schon geöffnet, so zum Beispiel in Deutschland. Je nach Ausgang folgt ein sehr turbulenter Börsentag.

Aus heutiger Sicht eine Prognose zu machen, ist nicht möglich. Schon seit Wochen jagt eine Umfrage die nächste, mit unterschiedlichen Aussagen. Eine gute Übersicht über verschiedene Szenarien und Wahrscheinlichkeiten bietet Bloomberg an. An den Finanzmärkten zeigt sich seit zwei Tagen auf jeden Fall eine deutliche Aufwärtstendenz. Marktbeobachtern zufolge gehen Investoren davon aus, dass die Wahrscheinlichkeit eines EU-Austritts von Grossbritannien gesunken ist.