Die grosse Kammer hatte sich in der letzten Herbstsession für den sogenannten "Inländervorrang light" ausgesprochen: Offene Stellen sollen zunächst den Arbeitsämtern gemeldet werden. Für die Mehrheit der vorberatenden Ständeratskommission ist diese Massnahme nicht scharf genug. Sie hat dem Konzept des Aargauer FDP-Ständerats Philipp Müller zugestimmt, der es nicht bei einer Meldepflicht belassen will.

In Branchen mit hoher Arbeitslosigkeit sollen die Inserate während einer bestimmten Frist nur jenen Stellensuchenden zugänglich sein, die bei der Arbeitsvermittlung gemeldet sind. Firmen können auch verpflichtet werden, geeignete Stellensuchende zum Bewerbungsgespräch einzuladen. Wenn der Arbeitgeber keinen der Zugewiesenen anstellt, soll er diesen Entscheid begründen müssen.

Auch weitergehende Massnahmen sind möglich, diese müssen aber mit dem Freizügigkeitsabkommen vereinbar sein. Hinter diesem Konzept stehen die FDP und die SP, die die Bilateralen auf keinen Fall gefährden wollen. Eine bedeutende Minderheit, die von der CVP angeführt wird, beantragt dem Ständerat hingegen eine Umsetzung ohne Vetorecht für Brüssel.

Auch sie will die Unternehmen verpflichten können, inländische Bewerber zum Gespräch einzuladen und Ablehnungen zu begründen. Bei schwerwiegenden wirtschaftlichen Problemen soll das Parlament Abhilfemassnahmen jedoch auch ohne die Zustimmung der EU beschliessen dürfen. Diese Lösung ist mit dem Freizügigkeitsabkommen nicht vereinbar.

Keine Aussicht auf Erfolg hat die SVP, die für eine wortgetreue Umsetzung der Initiative mit Kontingenten und einem echten Inländervorrang eintritt. Der Vorschlag des Bundesrats, bei Überschreitung eines Schwellenwerts Höchstzahlen für Zuwanderer aus der EU einzuführen, findet im Ständerat keine Unterstützung.

Eine rasche Einigung zwischen den Räten zeichnet sich nicht ab. Am 16. Dezember findet die Schlussabstimmung statt, bis dahin dürfte es eine hektische Differenzbereinigung geben. Denkbar ist, dass sich Müllers Konzept durchsetzt, jedoch ohne die Pflicht für Arbeitgeber, Ablehnungen zu begründen. Am 9. Februar 2017 muss die Initiative umgesetzt sein, damit der Bundesrat die Erweiterung der Personenfreizügigkeit auf Kroatien rechtzeitig ratifizieren kann.

(AWP)