Die US-Präsidentenwahl ist formell noch im Gange. Die Wahlmänner und -frauen (Electoral College) treffen sich am 14. Dezember, um den Präsidenten und Vizepräsidenten offiziell zu wählen.

Diese Stimmen werden dann am 6. Januar vom Kongress ausgezählt. Wenn Biden an diesem Tag wie erwartet gewählt wird, wird er am 20. Januar 2021 bei der Amtseinführung (Inauguration Day) zum 46. Präsidenten der Vereinigten Staaten ernannt. An diesem Tag muss Trump spätestens das Weisse Haus verlassen.

Kann Trump die Ernennung Bidens zum Präsidenten blockieren?

Nein. Trump kann den Weg Bidens ins Weisse Haus nicht stoppen, höchstens verlangsamen. In den USA gibt es ein Gesetz, das die Übertragung der Aufgaben von einem zum nächsten Präsidenten klar regelt, der Presidential Transition Act von 1963.

Eine unabhängige Behörde der US-Regierung, die General Services Administration (GSA), setzt das Gesetz um. Der eigentliche Regierungsübergang beginnt, unmittelbar nachdem ein Sieger feststeht. Bis zur Amtseinführung treffen sich der scheidende Präsident und der neu gewählte Präsident in der Regel regelmässig zu Konsultationen.

Die GSA erklärte am Samstag, dass sie "den offensichtlich erfolgreichen Kandidaten" bestimmen werde, sobald dieser auf der Grundlage des in der Verfassung festgelegten Prozesses klar sei.

Übergangsprozess wird eingeleitet

Am Sonntag hiess es in einem Schreiben des Zentrums für den Übergang des Präsidenten an GSA-Leiterin Emily Murphy: "Obwohl es Rechtsstreitigkeiten geben wird, die eine Entscheidung erfordern, ist das Ergebnis so hinreichend klar, dass der Übergangsprozess jetzt beginnen muss." Politik-Wissenschaftler äusserten sich gegenüber Reuters zuversichtlich, dass diese gesetzlichen Regelungen Bestand haben.

Regierungsbeamte leisten ausserdem einen Eid, um die US-Verfassung aufrechtzuerhalten. Sie müssten Biden also als neuen Präsidenten anerkennen, wenn er das Electoral College gewinne, unabhängig davon, was Trump davon halte, sagt Robert Chesney, Professor für nationales Sicherheitsrecht an der University of Texas.

"Ich kann mir nicht vorstellen, dass das Militär, der Geheimdienst, das FBI oder ein anderer relevanter Teil der Verwaltung Trump zustimmen würden, wenn das Wahlkollegium oder ein Gericht etwas anderes sagt."

Kann das Militär Trump aus dem Weissen Haus entfernen?

Ja. Das ginge grundsätzlich. Zwei Veteranen der US-Armee schrieben in einem offenen Brief an den obersten US-General Mark Milley im August, dass es die Möglichkeit gebe, Trump im Notfall gewaltsam aus dem Weissen Haus zu holen. "Wenn Donald Trump sich nach Ablauf seiner Amtszeit weigert, sein Amt niederzulegen, muss das US-Militär ihn mit Gewalt entfernen, und Sie müssen diesen Befehl erteilen", heisst es in dem Brief.

Andere sagten jedoch, ein solcher Schritt sei besser dem US-Geheimdienst überlassen, und verwiesen auf das grundlegende Rechtsprinzip in den USA, wonach sich Mitglieder des Militärs aus innerstaatlichen Strafverfolgungsangelegenheiten heraushalten sollen.

"Wir haben verfassungsrechtliche Verfahren, um damit umzugehen, und das Militär taucht in dieser Gleichung nicht auf", erläutert Kori Schake, Direktor für Aussen- und Verteidigungspolitik am American Enterprise Institute.

Wenn Trump sich tatsächlich weigerte, das Weisse Haus zu verlassen, würde er am 20. Januar ein "Eindringling" werden, erklärt Professor Chesney. "Der Secret Service würde kommen und ihn hinausbringen." 

(Reuters)