Hätte man Anfang Jahr einem Ökonomen erklärt, was eine Pandemie ist, und dass sich deren Folgen in der stärksten Rezession seit 70 Jahren manifestieren wird, dann hätte er für den Aktienmarkt ein ganz anderes Szenario gezeichnet, als es eingetreten ist.
Fassen wir zusammen: Am 20. Februar erreichte der Swiss Market Index (SMI) 11'270 Punkte. Innerhalb eines knappen Monats fiel er um 32 Prozent auf 7650 Punkte. Nur um ab Mitte März wieder zu einer Rally anzusetzen. Mitte September notierte er wieder über 10'500 Punkten, nur 7 Prozent unter dem Jahreshöchst. Seither geht es wieder bergab. Am Freitag schloss der SMI bei 9587 Punkten.
In Worten heisst das: Die Anleger bekommen einen Schreck, rechnen mit dem Schlimmsten, werfen ihre Aktien auf dem Markt. Die Kurse fallen. Gegen Ende März kommen die Investoren zum Schluss, alles sei nur halb so schlimm. Sie kaufen wieder. Die Nachfrage ist grösser als das Angebot. Die Kurse steigen.
Was so simpel daher kommt, wirft dennoch Fragen auf: Weshalb soll alles nur halb so schlimm sein bei einem Einbruch der Weltwirtschaft von zehn Billionen Franken und einer millionenfachen Arbeitslosigkeit?
Man muss wissen: Es gibt zwei wichtige Treiber – die geschätzten Unternehmensgewinne und das Zinsniveau. Je höher der zu erwartende Gewinn, desto besser die Aussicht auf höhere Dividenden. Das treibt die Kurse in die Höhe. Das leuchtet ein.
Warum aber die Zinsen? Warum sind tiefe Zinsen gut für Aktien? Weil tiefe Zinsen schlecht sind für Obligationen: Je weniger attraktiv die Obligationen, desto attraktiver die Aktien. Die beiden Anlagekategorien stehen sozusagen in Konkurrenz zueinander oder zumindest in einer Abhängigkeit. Wenn Obligationen unrentabel sind, investiert man schwergewichtig in Aktien, was wiederum die Kurse antreibt.
Der Optimismus an den Börsen ist also weitgehend den Notenbanken zu verdanken, die zur Bekämpfung des Virus die Geldschleusen weiter öffneten und damit für tiefe Zinsen sorgen.
Noch etwas muss man wissen: Ob Aktienkurse steigen oder fallen, sagen uns Börsenbarometer wie der genannte SMI oder der S&P-500, der die Kursentwicklung der 500 grössten US-Unternehmen spiegelt. Sie sind kapitalgewichtet: Je grösser ein Unternehmen, desto grösser das Gewicht im Index. Beim SMI mit seinen 20 Titeln haben Nestlé, Novartis und Roche ein Gewicht von über 50 Prozent. Und beim S&P-500 machen die zehn grössten Technologietitel fast 30 Prozent aus. Die Technologietitel sind die Gewinner der Pandemie.
Zum Schluss noch die Mutter aller Fragen: Soll ich jetzt Aktien kaufen? Ernstzunehmende Sachverständige werden darauf antworten: "Es kommt darauf an". Ich selber sage: "Keine Ahnung".