Die drei Staaten wollen damit ihre Ziele zu erreichen: Sie suchen in Konflikten den direkten Angriff auf Berlin und schüren damit antideutsche Emotionen. Diese Bilateralisierung eines Streits stellt dabei jene Errungenschaft der europäischen Integration infrage, von der die Bundesrepublik wegen der NS-Zeit bisher profitiert hat - die Ent-Emotionalisierung des politischen Streits. Deutschland will Konflikte lieber über die EU lösen.

Ganz neu ist das Phänomen nicht: Denn auch die griechische Regierung hatte auf dem Höhepunkt der Schuldenkrise den Streit um weitere Finanzhilfen der Euro-Partner als einen bilateralen Konflikt mit Deutschland und vor allem Bundeskanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble dargestellt und die Emotionen angeheizt. Athen erhoffte sich dadurch einen Streit in der Eurozone und weniger harte Auflagen. Dahinter steckt aber auch die wachsende Bedeutung Deutschlands. Merkel hatte schon vor Jahren gesagt, dass man - wie die Amerikaner in der Welt - nun eben auch in Europa häufiger Ziel von Angriffen werde, die man aushalten müsse. Aber neu ist die Intensität der Angriffe.

Polen

Im Streit über die Wiederwahl von EU-Ratspräsident Donald Tusk holte der Chef der national-konservativen Regierungspartei, Jaroslaw Kaczynski, am Mittwoch die historische Keule heraus. Der frühere Ministerpräsident und Rivale Tusk sei ein "deutscher Kandidat", sagte Kaczynski. Das stimmt zwar doppelt nicht: Frankreichs Präsident Francois Hollande wies wiederholt darauf hin, dass er den Polen seinerzeit als EU-Ratspräsident vorgeschlagen habe. Ausserdem hatte es in den vergangenen Jahren ziemlichen Unmut in Berlin über Tusk gegeben, weil er in der Flüchtlingskrise sehr stark den Standpunkt der kritischen osteuropäischen Staaten bezog.

Aber PiS-Chef Kaczynski ist seit Jahren dafür bekannt, dass er beiden grossen Nachbarn Polens - Russland und Deutschland - misstraut. Sein Hinweis auf den deutschen Kandidaten soll deshalb innenpolitisch Emotionen wecken. Erfolgreich war dies allerdings nicht: 27 EU-Regierungen stimmten am Donnerstag für Tusk, nur Polen blieb bei seinem Nein.

Dabei hat die Bundesregierung in Kontroversen mit der nationalkonservativen Regierung in Warschau versucht, genau den entgegengesetzten Weg zu gehen. Schon im Streit über die Justizreformen in Polen hatte sich Berlin lange demonstrativ herausgehalten. "Denn der Vorteil des Friedensprojektes EU ist eben, dass Konflikte zwischen Mitgliedstaaten nicht bilateral ausgetragen werden", heisst es in der Bundesregierung zur Begründung. Auch EU-Kommissionsvize Frans Timmermans sagte ausdrücklich, dass er wegen der historisch belasteten deutsch-polnischen Geschichte dafür Verständnis habe. Die Bundeskanzlerin spricht deshalb eher in allgemeiner Form von der Bedeutung einer freien Presse und unabhängigen Justiz in Polen.

Türkei

Auch die türkische Regierung schiesst sich auf einen bilateralen Streit mit Berlin ein. Präsident Recep Tayyip Erdogan, aber auch Aussenminister Mevlüt Cavusoglu kritisierten wiederholt, die Absage von Wahlkampfauftritten türkischer Minister in Deutschland erinnere an Methoden der Nazi-Zeit. Daran hält die Regierung in Ankara trotz der scharfen Proteste von Bundeskanzlerin Merkel oder Aussenminister Sigmar Gabriel fest. "Diese Vergleiche müssen aufhören", verlangte Merkel etwa am Donnerstag und sprach von "tiefgreifenden Differenzen" mit dieser türkischen Regierung.

Die Vermutung in der Bundesregierung ist auch hier, dass Erdogan letztlich gezielt die Eskalation sucht, um die deutsch-türkischen Wähler in Deutschland anzusprechen. Und das scheint auch zu funktionieren: Denn laut einer Umfrage von Stern-TV sind 62 Prozent der Befragten mit türkischem Migrationshintergrund gegen ein Einreiseverbot für Erdogan. Da kann es die türkische Regierung verschmerzen, dass dies in der deutschen Bevölkerung ohne Migrationshintergrund ganz anders aussieht. Hier sind 76 Prozent für ein Einreiseverbot.

USA

Präsident Donald Trump will ebenfalls den bilateralen Weg der Auseinandersetzung suchen und droht mit Strafzöllen gegen deutsche Produkte. Sein Wirtschaftsberater Peter Navarro will das Thema der kritisierten Handelsüberschüsse Deutschlands direkt mit der Bundesregierung klären - was in Berlin entschieden zurückgewiesen wird. Denn die EU und nicht die Einzelstaaten ist für die Handelspolitik zuständig - und die Europäische Zentralbank für den von der Trump-Regierung kritisierten niedrigen Euro-Wechselkurs.

Der Transatlantik-Koordinator der Bundesregierung, Jürgen Hardt, sieht ohnehin ganz bestimmte Motive hinter dem bilateralen Ansatz der Amerikaner. "Die USA sind gegenüber jedem Staat auf der Erde immer der stärkere Partner", sagte der CDU-Politiker im Reuters-Interview. Also wolle man die EU spalten, die gerade deshalb zusammenstehen müsse. Trump spekuliere zudem darauf, dass es auch in der EU Unmut über die starke deutsche Wirtschaft gebe - und sich die Union deshalb vielleicht bei dem Thema auseinander dividieren lasse, argwöhnt man in der Bundesregierung. Der EU-Gipfel in Brüssel sollte deshalb ein klares Bekenntnis zum Freihandel und gegen Protektionismus beschliessen.

(Reuters)