Trotz eines jährlichen Umsatzes von fast sechs Milliarden Franken sei die Profitabilität der Industriebetriebe ins Wanken geraten, schreibt die «Bilanz» in ihrer neuen Ausgabe vom Freitag (Vorabdruck). Migros-Chef Irminger, der im vergangenen Mai seinen Posten angetreten hatte, betonte im Gespräch mit dem Magazin die Notwendigkeit, die Industrie zu straffen und zu vereinfachen, um sie wieder auf die Erfolgsspur zu führen.

Der Rücktritt des bisherigen Industrie-Chefs, Armando Santacesaria, habe den Weg für diesen Neuanfang geebnet, so die «Bilanz». Irminger sei zwar voll des Lobes für Santacesaria, der die Industriebetriebe näher an das Supermarktgeschäft herangeführt und die Produktivität gesteigert habe. Dennoch seien die Geschäftszahlen des letzten Jahres enttäuschend: Bei einem Umsatz von über 5,8 Milliarden Franken erreichte die Migros-Industrie 2022 lediglich 9 Millionen Betriebsgewinn und schrammte damit knapp an einem Verlust vorbei.

Expansion ins Ausland

Die Industrialisierung der Migros und die Expansion ins Ausland, die von Santacesaria vorangetrieben wurde, hätten derweil nicht die gewünschten Ergebnisse erzielt. Die Auslandsgeschäfte der Migros seien im Jahr 2022 nicht profitabel gewesen, was auf Kostensteigerungen und den starken Franken zurückzuführen gewesen sei.

Die Migros-Tochter, der Schokoladenproduzent Frey, kämpfe im Ausland mit Preiskonkurrenz und einem harten Markt. Trotz aggressiver Angebote zur Steigerung des Umsatzes im Ausland sei der Gewinn ausgeblieben.

Das neue Führungsduo um Präsident Irminger und Supermarkt-Chef Diethelm plane daher, die Industrie auf massentaugliche Produkte auszurichten und die Produktvielfalt zu reduzieren. Sie würden erkennen, dass die Marke Migros im Inland gestärkt werden müsse und dass Markenprodukte zunehmend an Bedeutung gewännen.

Wandel der Strategie

Dieser Wandel in der Strategie spiegle sich in den Regalen der Migros-Supermärkte wider, wo Markenprodukte wie Lindt und Ovomaltine einen prominenten Platz einnehmen und Eigenmarken an Bedeutung verlieren würden.

Ein weiteres Problem, mit dem die Migros-Industrie konfrontiert sei, betreffe das Coffee-B-System, das als «grösste Produktinnovation in der Geschichte der Migros» angekündigt wurde. Die kompostierbaren Kaffeebälle, die Nespresso Konkurrenz machen sollten, hätten sich in Deutschland anfangs nur schleppend verkauft.

Trotz all dieser Herausforderungen gebe es auch Erfolge innerhalb der Migros-Industrie, wie die Zusammenarbeit mit dem Rivalen Coop in der Produktion von Teigwaren zeige. Dennoch bleibe die Neuorientierung und Stärkung der Industriebetriebe eine der wichtigsten Aufgaben für die beiden neuen Führungskräfte. Die Zukunft der Migros-Industrie hänge von der Fähigkeit des neuen Führungsteams ab, die Produktionsbetriebe auf die Bedürfnisse der Schweizer Supermärkte auszurichten und die Marke Migros im Inland zu stärken.

kw/jb

(AWP)