Mit der 713 Millionen Franken schweren Übernahme, die durch eine erfolgsabhängige Zahlung von bis zu 100 Millionen bis 2028 ergänzt werden kann, will Rieter seine Position als globaler Marktführer im Bereich Natur- und Chemiefasern stärken. Analysten sprachen von einer strategisch sinnvollen Transaktion - auch wenn der Markt zunächst skeptisch reagierte.
Die Akquisition umfasst die bekannten Marken Oerlikon Barmag, Oerlikon Neumag und Oerlikon Nonwoven sowie rund 2600 Mitarbeitende. Barmag mit Hauptsitz im deutschen Remscheid erzielte 2024 einen Umsatz von 734 Millionen Franken. Hauptmärkte sind China, Indien, die Türkei und die USA.
Rieter selbst setzte im gleichen Zeitraum 859 Millionen Franken um. Durch die Übernahme steigt der Konzernumsatz auf etwa 1,6 Milliarden Franken - ein Plus von rund 85 Prozent.
«Traum-Deal»
Rieter-CEO Thomas Oetterli sprach am Dienstag von einem «Traum-Deal» und einer «einmaligen Chance». Mit der Übernahme erhalte Rieter Zugang zu zukunftsträchtigen Technologien und Märkten im Bereich synthetischer Fasern.
Die Investition bedeute nicht nur einen Grössensprung, sondern auch eine Verbesserung der Profitabilität, betonte Oetterli. Die operative Gewinnmarge (bereinigtes EBITDA) hätte 2024 11,4 statt 9,6 Prozent betragen. Die sogenannte Cash-Conversion - also der Anteil des Gewinns, der tatsächlich im Unternehmen ankommt - erhöht sich laut Rieter von 55 auf 75 Prozent.
Auch Synergien in Höhe von mindestens 20 Millionen Franken jährlich werden erwartet. Barmag soll vorerst aber als eigenständige Einheit weitergeführt werden. Eine umfassende Restrukturierung ist nicht geplant, wie Finanzchef Oliver Streuli sagte.
Spuhler greift in die Tasche
Finanziert wird die Akquisition über einen Überbrückungskredit, eine garantierte Kapitalerhöhung von 400 Millionen Franken sowie eine Privatplatzierung über 77 Millionen Franken. Die beiden grössten Rieter-Aktionäre - Peter Spuhler (rund 33 Prozent Beteiligung) und Martin Haefner (rund 10 Prozent) - beteiligen sich an der Finanzierung. Gemeinsam sagten sie laut Rieter mehr als 50 Prozent der Summe zu.
Im dritten oder vierten Quartal 2025 ist eine ausserordentliche Generalversammlung geplant, um die Kapitalerhöhung formal zu beschliessen. Der Abschluss der Transaktion ist ebenfalls im vierten Quartal vorgesehen, vorbehaltlich behördlicher Genehmigungen.
Rieter-CEO: Nur kurzfristige Risiken
Kurzfristige Risiken sieht CEO Oetterli vor allem im aktuellen geopolitischen Umfeld. Die Finanzierung und das Geschäft von Barmag seien jedoch sorgfältig geprüft worden. Langfristig geht Rieter von einem klaren Wachstumstrend aus: Der globale Bedarf an Chemiefasern soll bis 2030 jährlich um bis zu 4 Prozent auf 107 Megatonnen steigen - weit stärker als das Wachstum bei Naturfasern, das lediglich rund 2 Prozent pro Jahr auf 29 Megatonnen betragen dürfte.
Für Verkäuferin Oerlikon markiert der Deal den Abschluss einer strategischen Neuausrichtung. Der Konzern hatte den Verkauf des Chemiefasergeschäfts bereits im vergangenen Jahr angekündigt und will sich künftig vollständig auf das Geschäft mit Oberflächentechnologien konzentrieren. Ein Grossteil des Kaufpreises - 475 Millionen Franken - fliesst wohl direkt in die Rückzahlung eines Firmenkredits. Der Rest soll gemäss Analysten für allgemeine Zwecke und mögliche Ausschüttungen verwendet werden.
An der Börse reagierten die Aktien der beiden Konzerne deutlich: Oerlikon legten nach Bekanntgabe der Transaktion am Dienstagmorgen um mehr als 22 Prozent zu, während Rieter rund 3,4 Prozent verlor. Analysten begründeten dies mit der bevorstehenden Kapitalerhöhung und dem hohen Investitionsvolumen.
Insgesamt bewerten Marktbeobachter die Übernahme jedoch positiv. Sie spreche für die technologische und geografische Ergänzung der beiden Unternehmen. Die ZKB sprach von einem «Befreiungsschlag» für Rieter, auch wenn die Finanzierung noch kritisch beobachtet werde.
to/rw
(AWP)