52 Prozent der Kantonalsektionen des Schweizerischen Gewerbeverbands (SGV) erwarten eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage für die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), 42 Prozent rechnen mit Stagnation, wie Vertreter des SGV am Dienstag in Bern an einem Medienanlass sagten. Weiter gehe keine Kantonalsektion von einer Verbesserung der Wirtschaftslage aus.

Der SGV stützte seine Erkenntnisse auf eine Umfrage, an welcher laut Communiqué seine Kantonalsektionen teilnahmen. Für die KMU seien die Bürokratie, der Fachkräftemangel und die «immer restriktivere» Raumplanung besonders belastend. Eine weitere Sorge für das Gewerbe sei der fehlende Nachwuchs.

Attraktivere Gestaltung der Berufslehre

Derzeit würden mehr Fachkräfte den Arbeitsmarkt verlassen, als neue hinzukämen, sagte Pierre Daniel Senn, Vizepräsident des SGV. Die Pensionierung der Generation der Babyboomer würde diesen Trend verstärken.

Um dem entgegenzuwirken, forderte der Verband die Einführung von sogenannten «Professional Bachelor» und «Professional Master». Diese Titel würden die Attraktivität der Berufsbildung steigern, so die Hoffnung.

Die Einführung solcher Titel, die beim Abschluss einer höheren Fachprüfung vergeben werden sollen, wird derzeit im Parlament debattiert. Der Ständerat sprach sich in der vergangenen Herbstsession einstimmig dafür aus. Als Nächstes muss sich der Nationalrat damit befassen.

Regulierungskostenbremse gefordert

Um die KMU von der Bürokratie zu entlasten, forderte der Direktor des SGV, Urs Furrer, Anpassungen in drei Bereichen: die Stärkung der Produktivität, die Rückbildung des Staates und die Erschliessung von neuen Märkten.

Furrer verlangte eine Regulierungskostenbremse. Wenn Regulierungen für alle Unternehmen gleich gälten, dann bedeute dies für kleinere Unternehmen verhältnismässig mehr Arbeit. Im Communiqué ging der SGV von Bürokratiekosten von 80 Milliarden Franken pro Jahr aus. Das seien rund zehn Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP).

Weiter sah der SGV das «Wachstum des Staates» kritisch. Dieser solle unterbunden werden. Der Föderalismus müsse in den einzelnen Bereichen gelebt werden, so Furrer weiter.

Mit Blick auf den Aussenhandel der Schweiz betonte der Direktor die Wichtigkeit einer Diversifizierung. Dabei forderte er eine Aktualisierung der bestehenden Freihandelsabkommen (FHA) sowie neue FHA zu schliessen. Der dabei erschlossene Marktzugang müsse aber auch «KMU-tauglich» ausgestaltet werden. Dabei würde sich der SGV für sogenannte «KMU-Kapitel» einsetzen.

Knapper Wohnraum führt zu Fachkräftemangel

Zu den Herausforderungen in der Raumplanung äusserte sich insbesondere der Direktor des Bündner Gewerbeverbandes Maurus Blumenthal. Die Raumplanung würde die Unternehmen stark belasten.

In Graubünden könnten ein Drittel der Unternehmen keine neuen Mitarbeitenden einstellen, weil Wohnraum fehle. Die Wohnbautätigkeit sei gesunken und Baubewilligungsverfahren für neue Wohnhäuser dauerten im Schnitt rund 200 Tage.

Der fehlende Wohlraum verschärfe den Fachkräftemangel besonders in Randregionen. Denn die zurückgelegene Strecke in einer Fahrtstunde sei in Graubünden kürzer als im Mittelland, erläuterte Blumenthal. Dies bedeute, dass die Mitarbeitenden näher an den Betrieben wohnen müssten. Die Gesetzgebung auf nationaler Ebene könne der Ausgangslage in den Randregionen nicht gerecht werden.

Der SGV ist gemäss eigenen Angaben die grösste Dachorganisation der Schweizer Wirtschaft. Sie vertrete über 230 Verbände und über 60'000 KMU. Das entspreche einem Anteil von 99,8 Prozent aller Unternehmen in der Schweiz.

(AWP)