Die Jahresinflationsrate verharrte bei 5,3 Prozent, wie das Statistikamt Eurostat am Donnerstag in Luxemburg mitteilte. Das Inflationsziel der Europäische Zentralbank (EZB) von mittelfristig zwei Prozent wird nach wie vor klar überschritten. Im vergangenen Jahr war die Inflation infolge des Ukraine-Kriegs zeitweise zweistellig gewesen. Die EZB stemmt sich gegen die Entwicklung mit kräftigen Zinsanhebungen, seit Sommer 2022 hat sie ihre Leitzinsen um insgesamt 4,25 Prozentpunkte angehoben. Der weitere Kurs ist aber ungewiss.

In der Haut der EZB möchte man derzeit nicht stecken, schreibt Thomas Gitzel, Chefvolkswirt bei der VP Bank. «Die Inflation ist hoch und die Wirtschaft schwach. Deutschland kämpft im zweiten Halbjahr vermutlich erneut mit einer Rezession. Gemeinhin wird solch ein Umfeld als 'Stagnation' bezeichnet.» Die EZB hat allerdings mit der Inflationsbekämpfung ein klares Mandat. Gemessen daran gibt es zu einer weiteren Zinsanhebung im September keine Alternative. Es sollte auch bedacht werden, dass die Inflationsraten noch weit über dem EZB-Leitzins liegt. Damit sind die europäischen Währungshüter also keineswegs restriktiv. Von einer restriktiven Notenbank kann erst dann gesprochen werden, wenn die Teuerungsraten unter dem Leitzins liegen, erläutert Gitzel. 

Jörg Krämer, Commerzbank-Chefökonom, meint, dass der weitere Rückgang der Kerninflation die vielen Tauben im EZB-Rat freuen wird. Zusammen mit den zuletzt schwachen Konjunkturdaten stützt die sinkende Kerninflation unsere Prognose, dass die EZB ihren Leitzins im September nicht weiter erhöhen wird. Aber ein frühes Ende der Zinserhöhungen ist riskant, weil die rasch steigenden Löhne den Preisanstieg bei Dienstleistungen anfachen. Die Kerninflation dürfte sich im kommenden Jahr deutlich oberhalb des EZB-Ziels von zwei Prozent einpendeln. Das Inflationsproblem im Euroraum ist noch lange nicht gelöst, schreibt er in einem Kommentar. 

Bastian Hepperle, Hauck Aufhäuser Lampe hält fest, dass der Stillstand bei der Gesamtinflationsrate und der langsame Rückgang bei der Kernrate zeige, dass immer noch zu viel Druck auf dem Inflationskessel ist. Sorge bereitet zudem, dass bei den Dienstleistungspreisen die Aufwärtsdynamik noch nicht gebrochen ist. Für die EZB kann deshalb der Kampf gegen die Inflation noch nicht beendet sein. Eine weitere Leitzinserhöhung bleibt auf der Agenda.

(AWP)