Spuhler erklärte in dem Interview, man werde die Bewertungsmatrix der SBB «seriös analysieren» und innert 20 Tagen einen Rekurs beim Verwaltungsgericht St. Gallen einreichen, falls sich der Verdacht einer zu tiefen Bewertung bestätige.

Die Preisdifferenz zwischen Stadler und Siemens betrage lediglich 0,6 Prozent, weshalb sogenannte Softfaktoren ausschlaggebend gewesen seien. Bei diesen sei Stadler deutlich schlechter bewertet worden, etwa bei Nachhaltigkeit und Instandhaltung. «Für mich ist das unverständlich, und es sieht danach aus, als ob wegen der knappen Preisdifferenz versucht wurde, den Entscheid mit solchen Bewertungen zu untermauern», sagte Spuhler weiter.

«Der Schock sitzt tief»

Weiter kritisierte er, dass das bewährte Stadler-Konzept gegenüber einem neuen Siemens-Zug benachteiligt worden sei. «Der Schock sitzt wirklich tief bei allen 6000 Stadler-Mitarbeitern, auch bei unseren über 200 Lieferanten aus der ganzen Schweiz. Wir alle haben gehofft, dass wir diesen grossen Auftrag in der Schweiz halten können», erklärte Spuhler.

Am Freitag hatte das deutsche Unternehmen Siemens Mobility den Zuschlag für 116 neue Doppelstockzüge für die Zürcher S-Bahn und den Regionalverkehr in der Westschweiz erhalten. Insgesamt waren drei Anbieter für den 2,1-Milliarden-Franken-Auftrag im Rennen. Ausschlaggebend für den Entscheid seien die Investitionskosten, der Betriebsaufwand, die Instandhaltungskosten und die Nachhaltigkeit gewesen, sagte SBB-CEO Vincent Ducrot vor den Medien.

SBB: «Swissness» kein Kriterium

Die SBB reagierten auf die Kritik Spuhlers am Sonntag mit einem Communiqué. Als Unternehmen im Bundesbesitz müsse sie den Auftrag zwingend an das «vorteilhafteste Angebot» vergeben. Und dieses sei deutlich gewesen: Siemens habe in der Summe klar am meisten Punkte erzielt bei den Kriterien, mit denen alle einverstanden gewesen seien.

Als Kriterien galten Investitionskosten, Betriebsaufwand, Erfüllung der Lastenhefte sowie Qualität und Serviceverträge, wie es weiter hiess. Die Bevorzugung inländischer Unternehmen wiederum sei gemäss dem Gesetz für öffentliche Beschaffungen weder vorgesehen noch erlaubt. Ein Teil der Wertschöpfung fliesse aber auch bei diesem Projekt in die Schweiz, teilten die SBB mit.

(AWP)