Mit der Gesetzesrevision will der Bundesrat die Regelung zum Familiennachzug von vorläufig aufgenommenen Personen im Ausländer- und Integrationsgesetz anpassen. Demnach soll die bisher dreijährige generelle Wartefrist für den Familiennachzug auf zwei Jahre reduziert werden.

Er reagierte damit auf ein Grundsatzurteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), das auch durch das Bundesverwaltungsgericht (BVGer) im November 2022 bestätigt wurde. Die Vernehmlassungsfrist endete am Donnerstag.

Die SVP lehnt den Entwurf entschieden ab, wie sie in ihrer Antwort schrieb. Es sei inakzeptabel, dass ausländische Richter vermehrt politische Urteile fällten, die dem Willen des Gesetzgebers und des Souveräns widersprächen. Denn deren Aufgabe sei es, Gesetze anzuwenden und nicht zu schaffen. Ausserdem gebe es keinen objektiven Grund, warum eine zweijährige Frist gerechter und eine dreijährige Frist unverhältnismässig wäre.

Keine Anpassung nötig

Auch für die Mitte steht fest, dass weder das Gerichtsurteil des EGMR noch das BVGer eine zwingende Senkung der Wartefrist fordern. Vielmehr werde in den Urteilen betont, dass ab zwei Jahren eine Einzelfallprüfung nötig sei und das werde bereits heute vom Justizdepartement so gehandhabt. Die Mitte erkenne aus diesem Grund keinen gesetzgeberischen Handlungsbedarf und beantrage, auf die Revision zu verzichten.

Ähnlich argumentiert die Schaffhauser Regierung. Ausserdem befürchtet sie gleich wie der Kanton Glarus, dass damit die Zahl der Gesuche zunehmen könnte. Und das wäre gemäss der Antwort der Regierung in Glarus mit dem jetzigen Personalbestand in den Kantonen nicht mehr zu bewältigen.

Pull-Effekt verhindern

Einen solchen Pull-Effekt zu verhindern, ist auch für die FDP ein «besonderes Anliegen». Sie unterstütze zwar grundsätzlich die Anpassung, «um die gesetzlichen Bestimmungen in Einklang mit der Rechtsprechung des EGMR zu bringen». Denn für einen Rechtsstaat sei es wichtig, seine internationalen Verpflichtungen zu respektieren.

Doch gleichzeitig müssten die Kriterien für den Familiennachzug streng bleiben, um sicherzustellen, dass keine erhöhte Migration in die Schweiz erfolge. Immerhin zeige ein Vergleich mit andere europäischen Ländern, dass die geplante Anpassung den internationalen Standards entspreche.

Verkürzung der Nachzugsfrist verhindern

Für die Schweizerische Konferenz der Integrationsdelegierten (KID) ist es im Interesse sowohl der Betroffenen als auch der Gesellschaft, dass auch vorläufig Aufgenommene sich möglichst schnell integrieren könnten. Sie begrüsse deshalb die Anpassungen grundsätzlich.

Gleichzeitig gibt sie zu bedenken, dass durch die Verkürzung der Wartefrist auf zwei Jahre auch der Zeitraum verkürzt wird, der für den Familiennachzug zur Verfügung steht. Das sind fünf Jahre für Ehegatten und Kinder unter zwölf Jahren und ein Jahr für Kinder über zwölf Jahren. In dieser Zeit müssen die Gesuchstellenden unter anderem beweisen, dass sie von der Sozialhilfe unabhängig sind und die Familie auch in Zukunft finanzieren können.

Die KID schlägt deshalb vor, diese Nachzugsfrist erst drei Jahre nach der Anordnung der vorläufigen Aufnahmen laufen zu lassen. Damit würde der Status quo beibehalten.

Weitergehende Forderungen

Die gleiche Gefahr sehen die Grünen. Die Partei bezeichnete die vorgeschlagene Anpassung zwar als «einen Schritt in die richtige Richtung». Sie möchte jedoch die Frist für den Familiennachzug und die «hohen finanziellen Hürden» ersatzlos streichen.

Ähnlich klingt es beim Schweizerischen Katholischen Frauenbund. Auch er begrüsst die Verkürzung der Wartefrist, fordert aber gleichzeitig entweder die Streichung gewisser Bedingungen für den Familiennachzug oder aber der Fristen, innerhalb derer ein Gesuch für einen Familiennachzug eingereicht werden muss.

Die Schweizerische Flüchtlingshilfe begrüsste grundsätzlich eine Reduktion der Wartefrist beim Familiennachzug. Die geplante Gesetzesänderung dürfe jedoch nicht dazu führen, dass den Betroffenen weniger Zeit zur Verfügung stehe, die übrigen Voraussetzungen für den Familiennachzug zu erfüllen. Ausserdem solle die Verhältnismässigkeit gewahrt werden. Ein Familiennachzug vor Ablauf der Wartefrist müsse im Einzelfall möglich sein.

Die SP schliesslich betonte, dass die Anpassung des nationalen Gesetzes nach dem Entscheid des EGMR «richtig und wichtig» sei. Gleichzeitig sei es «für eine völkerrechtskonforme Umsetzung essenziell», dass ein Familiennachzug auch vor Ablauf der zweijährigen Wartefrist geprüft und genehmigt werden müsse, sollte sich diese als unverhältnismässig erweisen.

(AWP)