Die Abstimmungen gehen auf Initiativen zivilgesellschaftlicher Gruppen zurück, die der regierenden Demokratischen Fortschrittspartei (DPP) nahestehen. Sie werfen Teilen der Opposition eine zu grosse Nähe zur kommunistischen Führung in Peking vor. Einige Abgeordnete der nationalkonservativen Kuomintang (KMT) sollen mit chinesischen Funktionären zusammengetroffen sein oder sich inhaltlich an offiziellen Positionen aus Peking orientiert haben.
Peking droht immer wieder mit Militär
Das Land mit seinen mehr als 23 Millionen Einwohnern hat seit 1949 eine unabhängige Regierung. China beansprucht Taiwan jedoch als Teil seines Gebiets und drohte wiederholt damit, es zu annektieren, wenn nötig auch unter Einsatz des Militärs.
China bezeichnet die DPP als separatistische Kraft und verweigert Gespräche mit ihrer Führung. Unter einer früheren KMT-Regierung hatte es dagegen Annäherung gegeben.
Hintergrund der nun laufenden Abstimmung ist eine innenpolitische Blockade: Zwar gewann Präsident Lai Ching-te von der DPP im Januar 2024 die Präsidentschaftswahl, seine Partei verfehlte aber eine Mehrheit im Parlament. Die DPP hält derzeit 51 der 113 Sitze. Die KMT kommt auf 52 Mandate. Hinzu kommen acht Sitze der zentristischen Taiwanischen Volkspartei (TPP) und zwei parteilose Abgeordnete, die meist mit der KMT stimmen. Damit verfügt das Oppositionslager aktuell über 62 Stimmen.
Abwahl könnte Mehrheiten ändern
Beobachter sprechen von einem politischen Stillstand im Parlament, ausgerechnet in einer Phase, in der der Druck aus Peking auf Taiwan zunimmt. Die Opposition nutzte ihre knappe Mehrheit zuletzt, um umstrittene Gesetzesvorhaben durchzusetzen, etwa zur schärferen Kontrolle des Verteidigungshaushalts. Kritiker warnen, diese Massnahmen könnten letztlich Pekings Interessen stärken und die Handlungsfähigkeit der Regierung einschränken.
Im Falle erfolgreicher Abwahlen könnten sich die Mehrheitsverhältnisse im Parlament vorübergehend zugunsten der DPP verschieben. Sitze von abgewählten Abgeordneten bleiben bis zu Nachwahlen unbesetzt. Diese müssten innerhalb von drei Monaten erfolgen. Der Regierung würde das zunächst mehr politischen Spielraum verschaffen.
Eine zweite Runde von Abberufungsabstimmungen ist bereits angesetzt: Am 23. August sollen sieben weitere KMT-Abgeordnete zur Abstimmung stehen. Die KMT kritisiert das Vorgehen scharf. Die DPP nutze demokratische Instrumente zur Ausschaltung der Opposition, hiess es. Das gefährde die parlamentarische Stabilität und spalte die Gesellschaft weiter.
(AWP)