Bei den Aktien der drei grössten Kreuzfahrtunternehmen der Welt geht derzeit die Post ab. Seit dem Apriltief in diesem Jahr steigen sie zwischen 56 und 100 Prozent. Besonders ein Unternehmen kann auf eine äusserst positive Post-Corona-Zeit zurückblicken.

Die Valoren der zweitgrössten Kreuzfahrtgesellschaft, Royal Caribbean, haben seit dem Pandemietief vor mehr als fünf Jahren rund 1400 Prozent zugelegt. Damit überflügeln sie jene der beiden grössten Konkurrenten deutlich: Carnival legen in dieser Zeit knapp 120 Prozent zu, Norwegian Cruise Line gut 104 Prozent.

Was macht Royal Carribean so viel besser? Und können Investoren noch auf eine Weiterführung des Trends zählen? Das zweitgrösste Unternehmen der Branche nutzte die Pandemie, um ein aggressives Expansionsprogramm zu lancieren – und lieferte. Doch die Erwartungen sind ebenfalls gestiegen.

Volle Kraft voraus mit Blick auf die Profitabilität

Die Corona-Pandemie brach den Kreuzfahrtunternehmen fast das Genick. Über Nacht waren Kreuzfahrten nicht mehr möglich, die Umsätze verpufften, die betroffenen Unternehmen schrieben beispiellose Verluste.

Royal Caribbean ging jedoch als Sieger aus dieser herausfordernden Zeit hervor. Das Unternehmen legte den Fokus auf das Premium-Segment, regte den Onboard-Konsum der Gäste an und setzte insbesondere auf maximale Rendite. Deshalb liegt die durchschnittliche Belegung der Schiffe heute bei knapp 110 Prozent. Bei Carnival und Norwegian sind es 5 respektive 6 Prozent weniger.

Diese strategischen Schritte haben einen enormen Einfluss auf die Profitabilität. Während sich die Reingewinnmargen der drei Unternehmen vor der Pandemie kaum unterschieden (zwischen 13 und 20 Prozent, je nach Jahr), hat sich Royal Caribbean nun von der Konkurrenz abgesetzt. Der Konzern erzielt mit 25 Prozent mehr als das Doppelte der Wettbewerber. Für Carnival und Norwegian werden für das nächste Geschäftsjahr Reingewinnmargen von rund 12 Prozent erwartet.

Bewertungsanstieg und Premium

Dieser enorme Profitabilitätsunterschied zeigt sich auch in der Bewertung. Der Langzeitdurchschnitt des Kurs-Gewinn-Verhältnisses (KGV), ohne Berücksichtigung der Jahre 2020 bis 2024, liegt bei allen drei Unternehmen zwischen 18 und 19.

Die besseren operativen Leistungen und der positive Ausblick haben jedoch dazu geführt, dass Royal Caribbean aktuell mit einem KGV von 19 bewertet ist. Bei Carnival (KGV: 13,7) und Norwegian (KGV: 9,4) sind die Bewertungsabschläge beträchtlich.

Mit dem Bewertungsanstieg sind auch die Erwartungen gestiegen und für Royal Caribbean nun sehr hoch. Die Experten der britischen Bank Barclays sehen die Erwartungen auf einem Allzeithoch, sprich: Sie sind nur schwer zu übertreffen.

Dies zeigte sich bei der Publikation der jüngsten Quartalsergebnisse. Obwohl sämtliche Erwartungen übertroffen wurden, fiel der Aktienkurs zeitweise um 9 Prozent im Tagesverlauf. Mittlerweile notieren die Titel jedoch wieder über dem Niveau dieser Gewinnmitnahmen.

Anders sind die Erwartungen bei Carnival und Norwegian. Besonders für Carnival dürfte es laut Analysten der japanischen Grossbank Mizuho ein Kinderspiel sein, die sehr tiefen Erwartungen zu überbieten. Sie führen das Unternehmen unter ihren «Top Picks». Bei Norwegian sind die Herausforderungen zwar zahlreicher, doch sollten auch bei diesen Aktien sämtliche negativen kurzfristigen Effekte bereits eingepreist sein.

Übertroffene Erwartungen

Insgesamt dürfte sich die Branche auch im nächsten Jahr weiter verbessern. Steigende Kapazitäten erhöhen das Volumen, neue Schiffe vergrössern das Angebot, und die Unsicherheiten rund um die US-Zollthematik lassen weiter nach, so die Experten von Barclays.

Das grösste Kurspotenzial sehen Analysten bei Norwegian mit plus 22 Prozent. 17 Experten raten zum Kauf, acht zum Halten. Etwas tiefer ist das Aufwärtspotenzial bei Carnival: Lediglich 3 Prozent höher setzen die Analysten das Kursziel fest. Royal Caribbean hat hingegen bereits den Konsens erreicht. Im Durchschnitt werden keine weiteren Kursgewinne prognostiziert.Sowohl bei Carnival als auch bei Royal Caribbean steht einer überwältigenden Mehrheit von Kaufempfehlungen (22) eine deutlich kleinere Zahl von Haltenempfehlungen (6) gegenüber.

Doch trotz des starken Kursverlaufs darf das fundamentale Geschäft von Royal Caribbean, und damit das weitere langfristige Kurspotenzial, nicht unterschätzt werden. Als einziges der drei Unternehmen zahlt Royal Caribbean eine Dividende. Mit 0,9 Prozent vom aktuellen Kurs fällt diese zwar gering aus, doch die Signalwirkung ist hoch: Der Konzern hat sich vollständig von Corona erholt und ist nun mit voller Kraft voraus dabei, seine Vorreiterrolle in der Branche zu festigen.

Luca_Niederkofler
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