Angesichts der in der vergangenen Woche gestiegenen geopolitischen Risiken geraten sämtliche Aktiensektoren unter Druck. Dies, weil Anleger in sichere Anlagen flüchten. Die wachstumsstarken Sektoren, einschliesslich des Technologiesektors, waren zuletzt mit am stärksten betroffen. Doch selbst auf den jetzigen Niveaus sehen sie nicht nach Schnäppchen aus.

Während der MSCI Europe Growth Index im Jahr 2022 bisher um 12 Prozent gefallen ist, konnte sich sein Value-Pendant in etwa halten. Zudem wird der MSCI Europe Growth Index, der Unternehmen mit einem stärkeren prognostizierten Gewinnwachstum umfasst, immer noch mit einem Bewertungsaufschlag von etwa 60 Prozent gegenüber der breiten Benchmark gehandelt.  

"Die jüngste Underperformance des Wachstumssektors hat zwar zu einer gewissen Abwertung geführt, ist aber weiterhin auf der teuren Seite des fairen Wertes angesiedelt", sagen die Strategen von JP Morgan unter der Leitung von Mislav Matejka. Auf Sektorebene habe der Tech-Sektor in den letzten sechs Monaten die stärkste Abwertung erfahren, werde aber im Vergleich zu anderen Sektoren immer noch mit dem höchsten Aufschlag gegenüber seinem langfristigen Median gehandelt. 

Value schlägt Growth seit Anfang Jahr (Europa) 

Entwicklung des MSCI Euruope Growth Index (blau) und des MSCI Euruope Value Index (gelb) seit Anfang Jahr. Grafik: Google Finance 

Festzuhalten bleibt: Die Faktoren, die hinter der aktuellen Rotation von Wachstum zu Value stehen - steigende Inflation, Erwartung höherer Zinsen und Fundamentaldaten - bleiben weiter bestehen. Und wenn überhaupt, hat diese Gewinnsaison die Argumente für günstigere Aktien nur noch verstärkt. 

Laut den Strategen von Morgan Stanley, darunter Ross MacDonald, war die Bandbreite der Gewinnsteigerungen bei Value-Aktien mit 35 Prozent weitaus höher als bei Growth-Aktien mit 16 Prozent, wobei die Gewinnrevisionen "entscheidend zugunsten von Value-Aktien ausgefallen sind".

Da sowohl die Erträge als auch die Anleiherenditen gegen sie sprechen, könnte sich die Underperformance von Wachstums-Aktien fortsetzen. MacDonald zufolge hat der Anstieg der nominalen und realen Renditen wohl die Schwelle der Bewertungsempfindlichkeit der Marktteilnehmer angehoben.

Selbst ein Höchststand der Inflation ist nach Ansicht von Matejka von JP Morgan möglicherweise kein guter Grund, Wachstumsaktien über einen "kurzfristigen taktischen Aufschwung" hinaus neu zu bewerten. Er glaubt, dass die realen Renditen auf mehr als 1 Prozent steigen könnten, wenn die Inflation zurückgeht und die Anleiherenditen im Gleichschritt steigen. Dies könnte sich stark auf die Bewertungen von Technologiewerten auswirken, die sehr empfindlich auf reale Renditen reagieren.

"Wir glauben, dass die Anleiherenditen im Laufe des Jahres weiter ansteigen werden", so Matejka. Die Fixed-Income-Strategen von JP Morgan erwarten, dass die 10-jährige US-Rendite bis zum Jahresende 2,35 Prozent erreichen werde. Für das deutsche Pendant erwarten sie im gleichen Zeitraum eine Rendite von 0,5 Prozent.

(Bloomberg/cash)