Tausende Menschen haben am Freitag in Moskau dem in Haft gestorbenen Kreml-Kritiker Alexej Nawalny die letzte Ehre erwiesen. Die Menge kam in der Nähe der Kirche in der russischen Hauptstadt zusammen und zog später zum nahegelegenen Friedhof, auf dem die Leiche des 47-Jährigen beigesetzt wurde. Als Beobachter anwesend war auch der deutsche Botschafter in Moskau, Alexander Graf Lambsdorff. Die Polizei war mit einem Grossaufgebot vor Ort, griff aber nicht ein. Bundeskanzler Olaf Scholz würdigte Nawalny, der «seinen Kampf für Demokratie und Freiheit mit dem Leben bezahlt» habe.

Vor der Kirche skandierten Tausende Menschen Nawalnys Namen, dabei kam es auch zu Kreml kritischen Aussagen. So war etwa zu hören «Russland wird frei sein», «Nein zum Krieg», «Russland ohne Putin» und «Putin ist ein Mörder». «Ich bin hierher gekommen, um Nawalny zu verabschieden», sagte ein 25 Jahre alter Mann, der seinen Namen mit Kirill angab. «Es ist sehr traurig für die Zukunft Russlands (...) Wir werden nicht aufgeben, wir glauben an etwas besseres.» Eine junge Frau namens Kamila sagte: «Es sind mehr als 10.000 Menschen hier, und niemand hat Angst.» Sie ergänzte: «Wir sind hierher gekommen, um die Erinnerung an einen Mann zu ehren, der auch keine Angst hatte.»

In einem Video war auf dem Friedhof Borisowskjoe zu sehen, wie Nawalnys Eltern Ljudmila und Anatoli Abschied von ihrem Sohn nahmen. Mehr als eine viertel Million Menschen verfolgten die Beisetzung auf Nawalnys YouTube-Kanal, der in Russland blockiert ist. Nawalnys Verbündete riefen zu einem weiteren Gedenken am Freitagabend auf, damit auch Menschen ausserhalb Moskaus Abschied von dem Regimekritiker nehmen können. Nawalnys im Exil lebende Witwe Julia Nawalnaja und ihre beiden Kinder nahmen an der Trauerfeier nicht teil. Auf der Plattform X dankte Nawalnaja ihrem Mann für «26 Jahre absoluten Glücks».

«Nicht das Ende der Opposition in Russland»

Putins Sprecher Dmitri Peskow sagte, er habe der Familie Nawalnys nichts zu sagen. Stattdessen erinnerte er die Russen daran, bestehende Gesetze zu befolgen. «Jede nicht autorisierte Versammlung ist gegen das Gesetz, und diejenigen, die daran teilnehmen, müssen sich dafür verantworten.» In den Staatsmedien spielte die Beisetzung kaum eine Rolle. Die Nachrichtenagentur RIA vermeldete das Ereignis, und wies auf die Vergehen Nawalnys hin, für die er verurteilt worden war, unter anderem Betrug und Extremismus. Nawalny selbst hat die Vorwürfe stets zurückgewiesen.

«Nach seinem Tod tragen mutige Russinnen und Russen sein Vermächtnis weiter», schrieb Kanzler Scholz auf X. «Viele von ihnen waren heute bei der Beerdigung und sind damit ein grosses Risiko eingegangen - für die Freiheit.» Auch FDP-Chef Christian Lindner meldete sich zu Wort: «Die heutige Beerdigung von Alexej #Nawalny markiert nicht das Ende der Opposition in Russland», schrieb er auf X. «Andere werden sein Werk fortsetzen - denn die Sehnsucht nach Freiheit kann man nicht ermorden.» Nawalny war in dem Straflager «Polarwolf» in Sibirien vor zwei Wochen für tot erklärt worden, er wurde 47 Jahre alt. Julia Nawalnaja hatte davor gewarnt, dass die Zeremonie nicht friedlich verlaufen könnte. Sie hat angekündigt, den Kampf ihres Mannes fortsetzen zu wollen.

Nawalnys Team wie auch westliche Politiker beschuldigen den russischen Präsidenten Wladimir Putin, für den Tod Nawalnys verantwortlich zu sein. Der Kreml weist dies zurück und hat erklärt, der Regimekritiker sei eines natürlichen Todes gestorben. Unabhängig überprüfen lässt sich das nicht. Forderungen nach einer unabhängigen Untersuchung lehnt Russland als Einmischung in innere Angelegenheiten ab.

(Reuters)