Acht Wochen nach dem Hamas-Grossangriff auf Israel setzt das israelische Militär seinen Kampf gegen die Hamas im Gazastreifen mit neuer Härte fort. Seit dem Auslaufen der Feuerpause am Freitagmorgen hätten die Streitkräfte zu Land, Luft und Wasser 400 Ziele von Militanten getroffen, teilte das Militär am Samstag mit. Dabei seien Kämpfer der Hamas getötet worden. Eine Zahl nannte das Militär nicht. Die von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörden meldeten, dass 193 Palästinenser getötet und 650 verletzt wurden. Belgien pochte gegenüber Israel auf den Schutz von Zivilisten. Nach Angaben von Palästinensern gab es am Samstag vor allem Angriffe auf die Stadt Chan Junis im Süden des Gazastreifens.
Israel und die Hamas geben sich gegenseitig die Schuld dafür, dass die Feuerpause nicht verlängert wurde. Laut Katar, das eine zentrale Rolle bei den Vermittlungen zur ersten Feuerpause gespielt hat, gehen die Verhandlungen mit den Palästinensern und Israel für eine neue Waffenruhe weiter. Eine Delegation des israelischen Geheimdienstes Mossad verhandelte einem Insider zufolge am Samstag mit katarischen Unterhändlern über eine weitere Feuerpause. Die Gespräche in Doha gingen auch um die Freilassung von weiteren Geiseln, bei denen es sich nicht nur - wie bisher - um Frauen und Kinder handeln solle.
Die Unterbrechung der Kampfhandlungen war in den Tagen zuvor genutzt worden, um von der Hamas festgehaltene Geiseln nach und nach gegen palästinensische Häftlinge auszutauschen, die in israelischen Gefängnissen sassen. Israel warf der Hamas vor, nicht wie vereinbart alle weiblichen Geiseln freigelassen zu haben. Ein Palästinenser-Vertreter sagte, zum Zusammenbruch der Verhandlungen über eine Verlängerung der Feuerpause sei es im Streit über israelische Soldatinnen gekommen.
Erdogan: Chance auf Frieden vorerst vertan
Hamas-Kämpfer hatten am 7. Oktober im Süden Israels nach israelischen Angaben 1200 Menschen getötet und etwa 240 Geiseln genommen, darunter Ausländer und Doppelstaatler. Israel startete daraufhin einen grossangelegten Militäreinsatz im Gazastreifen. Bis zum Eintreten der Waffenruhe am 24. November wurden nach Angaben der Gaza-Behörden mehr als 15.000 Palästinenser getötet. Israel hat sich nach dem Grossangriff der Hamas die Vernichtung der Islamisten-Organisation zum Ziel gesetzt. Insidern zufolge hat Israel mehrere arabische Staaten über Pläne in Kenntnis gesetzt, nach dem Krieg im Gazastreifen eine Pufferzone um das Palästinenser-Gebiet einzurichten.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan erklärte, dass die Chance auf eine Frieden in Gaza mit dem Auslaufen der Kampfpause vertan sei. Die Verantwortung dafür gab er Israel. «Es gab hier eine Chance für den Frieden, und leider haben wir diese Chance durch Israels kompromissloses Vorgehen vorerst verspielt», sagte Erdogan türkischen Medien. Er habe die Hoffnung auf einen dauerhaften Frieden aber nicht aufgegeben. «Der Ausschluss oder die Zerstörung der Hamas ist kein realistisches Szenario», erklärte Erdogan.
Unterdessen gab es erste Anzeichen, dass die mit dem Ende der Waffenruhe gestoppten Hilfslieferungen über den ägyptischen Grenzübergang Rafah wieder anlaufen könnten. Aus Kreisen ägyptischer Sicherheitsvertreter sowie des Roten Halbmonds verlautete, dass zwei Tanklaster und 50 Lastwagen mit Hilfsgütern in den Kontrollbereich des Grenzübergangs zum Gazastreifen eingefahren seien. Die Lage der Bevölkerung in dem dicht besiedelten Gebiet wird immer katastrophaler.
Der belgische Ministerpräsident Alexander De Croo drang bei Israel erneut auf den Schutz von Zivilisten. Er habe mit dem israelischen Präsidenten Jitzchak Herzog gesprochen und seine Sorge über das Wiederaufflammen der Gewalt zum Ausdruck gebracht, sagte De Croo vor der Presse am Rande des Weltklimagipfels in Dubai. Er habe gegenüber Herzog wiederholt, was er vergangene Woche in Rafah gesagt habe: «Keine Tötung von Zivilisten mehr». De Croo hatte an dem Grenzübergang zwischen Israel und Gaza die Zerstörungen im Palästinensergebiet verurteilt und gesagt, Israel müsse das humanitäre Völkerrecht achten und zivile Opfer vermeiden. Das israelische Aussenministerium hatte daraufhin den belgischen Botschafter in Israel einbestellt. Ein Vertreter Israels erklärte am Freitag, das Militär achte internationales Recht und versuche die Zahl von Todesopfern unter der Zivilbevölkerung zu minimieren.
(Reuters)