Nach der Reform ist vor der Reform. Das gilt gerade auch für AHV: Nachdem die im September 2022 beschlossene Revision des Sozialwerks inzwischen greift, hat der Bundesrat am Mittwoch ein nächstes Vorhaben präsentiert. Es soll die finanzielle Lage der AHV für den Zeitraum 2030 bis 2040 stabilisieren und das Sozialwerk an die gesellschaftliche Entwicklung anpassen, wie die Landesregierung mitteilte.
Sie stellt klar: Ein höheres Rentenalter ist nicht vorgesehen. Angesetzt werden soll bei den Beiträgen und bei Anreizen, die zu längerem Arbeiten - auch über das Rentenalter hinaus - führen sollen. Die Vorschläge noch nicht messerscharf, sondern als Leitlinien für den weiteren Reformprozess formuliert - und «kommen mit grossen Versprechen, kleinen Trostpflastern und einer Extraportion Optimismus daher», sagt Sozialversicherungsexpertin Beatrix Bock.
Sie bezeichnet die Pläne zur sogenannten AHV2030 als ein «vergoldetes Pflaster», mitunter wolle man «bei Dividenden kassieren», sorge sich aber nicht um das Rentenalter - «als wäre es ein heiliger Gral».
Laut der Mitteilung der Landesregierung sollen ungewöhnlich hohe Dividenden, die bestimmte Unternehmen an ihre Mitarbeiter-Aktionäre ausschütten, der Beitragspflicht zu unterstellen.
Dividenden sind momentan nicht AHV-pflichtig, «was dazu führen kann, dass statt Lohn Dividenden ausbezahlt werden». Missbräuchen soll nun ein Riegel geschoben werden, und ein ausgewogeneres System zwischen Mitarbeiter-Aktionären und den anderen Angestellten geschaffen werden, wie es weiter heisst.
Schon heute gelten Dividendenzahlungen als Lohn, aber nur wenn kein oder ein unangemessen tiefer Lohn und gleichzeitig eine offensichtlich überhöhte Dividende ausgerichtet wird. Im Gewerbe befürchtet man nun, dass es zu einer Verschärfung kommt, die «einen direkten Eingriff in die üblichen Strukturen von Familienunternehmen darstellt, die Dividenden als normale Vergütung des unternehmerischen Risikos und zur Stärkung der Eigenmittel einsetzen», wie der Gewerbeverband schreibt.
Dass ein Schlupfloch, über das Lohnbestandteile in Dividenden umgewandelt werden können, gestopft werde, wird hingegen von den Gewerkschaften begrüsst.
Im Weiteren soll der Beitragssatz Selbstständige mit hohem Einkommen von 8,1 auf 8,7 Prozent steigen sowie Kranken- und Unfalltaggelder AHV-pflichtig werden.
Kein höheres Rentenalter, dafür Anreize zu einem längeren Erwerbsleben
Noch im Oktober 2024 hat der Bundesrat ein höheres Rentenalter als Option, die zu prüfen sei, gesehen. Davon ist er abgerückt und setzt auf Anreize, die ein längeres Erwerbsleben attraktiver machen wollen: Zum einen soll die Einkommenssumme, ab der AHV-Beiträge erhoben werden, von 16'800 Franken auf 21'800 Franken pro Jahr angehoben und regelmässig an die Lohn- und Preisentwicklung angepasst werden. Die Logik dazu ist: Man muss weniger von seinem Verdienst an das Sozialwerk zahlen und hat unter dem Strich etwas mehr Geld.
Zum anderen: Das Einkommen, auf das nach dem Rentenalter AHV-Zahlungen anfallen, wird mit 1,4 multipliziert. Man bekommt darum rechnerisch mehr Lohn und kann letztlich eine höhere Rente, allenfalls sogar die Maximalrente erreichen. Das dürfte für Leute mit fehlenden Beitragsjahren interessant sein. Sie können eine zuvor eingegangene Lücke schliessen.
Dass das Rentenalter nicht generell erhöht werden soll, ist für die Gewerkschaften «ein wichtiges Signal an die Arbeitnehmenden des Landes». Der Gewerbeverband wünscht sich hingegen mehr Mut und ein Modell, das auf Lebensarbeitszeit beruht.
Was genau ist mit den Säule-3a-Guthaben?
Zur Diskussion stehen zudem Massnahmen in der zweiten und dritten Säule: So soll das Mindestalters, ab dem Versicherte ihre Altersleistung beziehen können, «mit der AHV harmonisiert werden», so die Mitteilung aus dem Bundeshaus.
Heute kann man Säule-3a-Guthaben frühestens fünf Jahre vor dem ordentlichen Rentenalter beziehen, also mit 60. Die AHV kann man ab 63 beanspruchen. Was nun genau mit der Harmonisierung gemeint sei, fragt Finanzexperte Iwan Brot. Ihm zufolge sind zwei Optionen denkbar: Entweder man kann die AHV schon mit 60 vorbeziehen oder darf sich das 3a-Guthaben erst ab 63 auszahlen lassen.
Was man mutmassen kann: Ein früherer Vorbezug der AHV (mit 60) widerspräche den Vorschlägen, die auf eine längeres Arbeiten zielen. Damit rückt ein späterer Abruf der 3a-Vermögen in den Vordergrund. In welche Richtung es tatsächlich geht, wird sich weisen.
Unschärfen wie diese werden noch geklärt: Nach den nun formulierten Leitlinien ist ein Vorentwurf zur AHV-Reform geplant. Im Frühling startet die Vernehmlassung. Danach ist das Parlament am Zug.

