Die Wahrnehmungen zum Schweizer Sozialwesen gehen offensichtlich auseinander. Die einen sprechen von Abbauplänen bei den Renten, andere von einem unkontrollierten Sozialausbau. Ein Blick auf die Zahlen zeigt, dass beide Darstellungen verkürzend sind.
Laut Angaben des Bundes sind die Ausgaben für soziale Wohlfahrt seit 1990 gestiegen: von 6,88 Milliarden Franken auf 29,4 Milliarden Franken im Jahr 2024, und gemäss Finanzplan werden es bald mehr 34 Milliarden Franken sein. Ein Grossteil davon entfällt auf die Altersversicherung, gefolgt von der Invaliden- und der Krankenversicherung sowie dem Geld für die Migration.
Zur Einordnung der absoluten Zahlen ist dreierlei allerdings wichtig: Auch die Wirtschaft hat sich entwickelt, was höhere Staatseinnahmen gebracht hat. Zudem ist die Bevölkerung grösser geworden, und die Menschen haben heute eine höhere Lebenserwartung als früher. 1990 war sie für Frauen rund fünf Jahre tiefer als 2024; für Männer lag sie gut acht Jahre unter dem Niveau von 2024. Freilich haben ausserdem politische Entscheidungen auch eine Rolle gespielt.
Gegenwärtig beansprucht kein anderes Aufgabengebiet den Bundeshaushalt so stark wie die soziale Wohlfahrt - weder der Verkehr (10,7 Milliarden Franken) sowie Bildung und Forschung (8,37 Milliarden Franken) noch die Sicherheit (6,89 Milliarden Franken).
Im internationalen Vergleich sind die Sozialausgaben für die AHV, für Gesundheit oder für Familien aber tief. Wenn es um die öffentlichen Sozialausgaben gehe, so befänden sich die Länder auf sehr unterschiedlichen Pfaden, schreibt der Ökonom Stefan Legge in einem Beitrag auf der Online-Plattform Linkedin.
Gemäss den Daten von «Our World in Data», auf die Legge sich stützt, machen Sozialausgaben in der Schweiz 16 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus. In den USA sind es knapp 20, in Schweden gut 26, in Deutschland fast 28 Prozent und in Frankreich über 30 Prozent.
1990 zeigte sich ein etwas anderes Bild, wie die folgende Tabelle darstellt:
| Land | Sozialausgaben (% BIP, 2024) | Sozialausgaben (% BIP, 1990) |
| Schweiz | 16 | 12,6 |
| USA | 19,8 | 13,2 |
| Schweden | 26,1 | 26,9 |
| Deutschland | 27,9 | 21,4 |
| Frankreich | 30,6 | 24,6 |
Öffentliche Sozialausgaben in Prozent des Bruttoinlandsproduktes 2024 und 1990 / Quelle: Our World in Data.
Bemerkenswert ist die Entwicklung in Schweden. Dort stiegen die öffentlichen Sozialausgaben bis 1993 auf über 34 Prozent des Bruttoinlandsprodukts und sind danach bis heute wieder auf das Niveau von 1990 zurückgegangen. Die Schweiz gab damals wie heute einen im internationalen Vergleich tiefen Anteil der Wirtschaftsleistung für Soziales aus. Ob sich daran etwas ändert und wie sich die in Franken gemessenen Wohlfahrtsausgaben effektiv entwickeln, steht auf einem anderen Blatt, das im neuen Jahr und darüber hinaus beschrieben werden wird.

