So etwa beim Aufbau der Produktion nachhaltigen Treibstoffs: "Sustainable Aviation Fuels" (SAF) sind der stärkste Hebel der Luftfahrt zum Senken der CO2-Emissionen. Politik, Mineralölindustrie und Airlines arbeiteten daran zusammen, sagt Jens Bischof, Chef des Lufthansa-Ferienfliegers Eurowings. "Die Politik subventiert den Ausbau, die Ölhersteller verpflichten sich zum Aufbau der Kapazitäten, und wir verpflichten uns, die Kapazitäten abzunehmen. Dieser Kreislauf muss in Gang kommen, um die Mengen spürbar zu erhöhen." Denn das grüne Flugbenzin ist noch eine Rarität und derzeit drei bis fünf Mal teurer als klimaschädliches Kerosin.

SAF können in heutigen Flugzeugen schon bis zur Hälfte des Kerosins im Tank ersetzen. Ihr Manko: Sie sind teuer, weil die Produktion bisher nicht in grossem Massstab in Gang kam, obwohl es seit 2009 technische Standards für das Ökokerosin gibt. Die US-Airline Virgin Atlantic absolvierte schon 2008 den ersten Testflug damit, die Lufthansa tankte es erstmals 2011.

Die Airlines stellten sich wegen der hohen Kosten freiwillig bisher nur langsam um. Heute nutzen nach Angaben des internationalen Luftfahrtverbandes IATA mehr als 50 Airlines SAF - der Organisation gehören knapp 300 Fluggesellschaften an. Seit 2011 hoben gut 450.000 Flugzeuge mit SAF im Tank ab. Zum Vergleich: Im Gesamtjahr 2019 gab es weltweit 46,8 Millionen Flüge. Weniger als ein Prozent des dabei verbrannten Treibstoffs waren SAF. Es ist ein klassisches Henne-Ei-Problem: Die Nachfrage ist wegen der hohen Kosten gering. Die Hersteller scheuen wegen der niedrigen Nachfrage milliardenhohe Investitionen in eine SAF-Produktion in industriellem Massstab - aber erst die würde mit grossen Mengen wiederum den Preis senken.

SAF - Tankquote kommt

Schon länger ist deshalb klar, ohne Anschub durch die Politik geht es nicht schnell genug voran. Die Airlines lehnten verpflichtende Quoten ab, forderten aber staatliche Förderung als Anreiz zum Umstieg. Die EU will im Rahmen ihres Klimaschutzpakets "Fit for 55" als erste Weltregion eine verpflichtende, steigende Quote zur SAF-Beimischung einführen. Dem im Sommer 2021 vorgelegten Vorschlag der EU-Kommission zufolge soll ab 2025 eine Beimischungsquote von zwei Prozent gelten, 2030 sollen es fünf Prozent sein. Bis 2050 soll die Quote auf 63 Prozent steigen. Die Verhandlungen zwischen den EU-Institutionen dauern an, eine Entscheidung soll Anfang 2023 fallen.

Mit den Vorschriften bekämen Investoren, Produzenten und die Airlines Planungssicherheit, heisst es in einer Studie des Beratungsunternehmens PwC. Da der Aufbau solcher Anlagen fünf bis zehn Jahre dauere, gelte es, jetzt den Hochlauf zu beginnen. Die Umweltlobby Transport & Environment (T&E) hält den schon entwickelten Kraftstoff aus Bioabfällen für keine Dauerlösung. "Das lässt sich nicht skalieren im benötigten Ausmass zur Dekarbonisierung des Luftverkehrs, weil die Menge eines nachhaltig verfügbaren Abfalls begrenzt ist", sagt Matteo Mirolo, Luftfahrtexperte von T&E. Deshalb sei die Alternative, synthetischer Kraftstoff aus erneuerbarer Energie, die bessere Lösung. Die steckt aber noch in den Kinderschuhen.

Kunde zahlt Klimaschutz

Da die Regulierung mittlerweile weltweit Fahrt aufnimmt, schliessen Airlines immer häufiger Abnahmevereinbarungen mit Herstellern. Seit Anfang 2021 wurden weltweit fast 60 Verabredungen über jährliche Abnahmen von insgesamt 23 Millionen Tonnen Biokerosin getroffen, wie aus Daten der internationalen staatlichen Luftfahrtorganisation ICAO hervorgeht. Grösster Produzent weltweit ist die US-Firma Gevo. In Europa sind Neste und Shell führend. Die Lufthansa hat sich in Europa für 240 Millionen Euro mit 2,6 Millionen Tonnen die grösste Menge gesichert. Lieferanten sind Shell und der österreichische Ölkonzern OMV.

Die Fluggesellschaften versuchen, die Ausgaben für den teureren Öko-Kraftstoff auf die Kunden umzulegen. So hat die Lufthansa eine freiwillige Option zu einem SAF-Aufschlag. Für die Strecke Frankfurt-Mallorca wären das 95 Euro, von Frankfurt nach San Francisco 500 Euro, sagte Lufthansa-Chef Carsten Spohr unlängst dem "Stern". Dazu seien bislang nur 0,05 Prozent der Kunden bereit, zwei Prozent zahlten den geringeren Zuschlag zur Finanzierung von Klimaschutzprojekten.

Nach der PwC-Studie würde sich bei steigenden CO2-Abgaben auf Kerosin bis 2038 die Tonne Treibstoff nach dem EU-Plan nur um neun Prozent verteuern. "Wer zukünftig nachhaltiger fliegen möchte, wird mehr dafür bezahlen müssen. Doch die Kosten für den reinen SAF-Aufschlag bleiben für Fluggesellschaften und Passagiere nach unseren aktuellen Analysen in einem überschaubaren Rahmen", erklärt Jan Wille, Co-Autor der im Juni veröffentlichten Studie. Letztlich wird der Verbraucher die Klimaschutzkosten über höhere Ticketpreise bezahlen, erklärt auch der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL). Die Branche unterstütze die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens, sagt BDL-Geschäftsführer Matthias von Randow. "Die dazu erforderlichen Klimaschutz-Investitionen kosten Geld, sie müssen bezahlt werden, und in der Folge wird auch das Fliegen teurer werden."

(Reuters)