Aufgrund einer unerwarteten Stornierung muss das Unternehmen nach einer ersten Schätzung 600 bis 900 Millionen Euro abschreiben. Auch die Mittelfristziele wurden gestutzt.

Das Schlüsselprojekt für die nur pixelgrossen LEDs, die etwa in Smartwatch-Displays eingesetzt werden können, sei unerwartet storniert worden, teilte AMS-Osram mit. Mit Blick auf die Technik und den erhofften Grossauftrag hatte das Unternehmen eine neue 8-Zoll-Wafer-Fabrik im malaysischen Kulim hochgezogen, die in diesem Jahr den Betrieb aufnehmen sollte. 

AMS Osram sah sich daher dazu veranlasst, die gesamte microLED Strategie zu überarbeiten. Die Wertberichtigung sei jedoch nicht cash-wirksam und soll im ersten Quartal des laufenden Jahres erfolgen. Die Gespräche mit den stornierenden Kunden würden zudem noch andauern.

Im laufenden Geschäftsjahr erwartet AMS Osram nach einer ersten Schätzung eine um 30 bis 50 Millionen Euro geringere bereiniget operative Marge (adj. EBIT). Laut Mitteilung können aufgrund der Anpassungen weniger Forschungs- und Entwicklungsanwendungen kapitalisiert wie auch weniger Fördermittel verbucht werden. Um die Auswirkungen zu minimieren, erwägt das Management weitere Kostensenkungsmassnahmen, die über das bestehende "Re-establish the Base" Effizienzprogramm hinausgehen.

Apple der Grund

Investoren reagieren erzürnt auf die neue Hiobs-Botschaft aus dem Hause AMS. Die Aktie verliert im frühen Handel an der SIX 43 Prozent auf 1,25 Franken. Es ist der grösste Kurssturz der Firmengeschichte. Die Papiere sind nun so billig wie zuletzt vor knapp 15 Jahren.

Die Bank Vontobel senkte in einer ersten Reaktion das Rating auf AMS Osram auf Halten von zuvor Kaufen gesenkt. Das Kursziel wurde auf 2 Franken von zuvor 3,70 reduziert. Die Stornierung eines Schlüsselprojekts der Micro-LED-Strategie stelle die Zukunft der Technologie infrage, so Vontobel. Diese sei eines der wichtigsten Argumente für bisherige Kaufempfehlung gewesen. 

Die französische Oddo BHF SCA nennt hinsichtlich der Stornierung das Kind beim Namen. Der Versand einer Mitteilung durch AMS Osram bedeute, dass dies mit Sicherheit den wichtigsten Micro-LED-Kunden der Gruppe betreffe, nämlich Apple. Es gebe zwei Möglichkeiten, wieso das Projekt abgebrochen worden sei: Apple erachte entweder die Nutzung der Technologie als zu teuer oder nicht vorrangig für den zuvor festgelegten Zeithorizont. Oder Apple habe einen anderen Lieferanten gewählt, wobei auch möglich sei, dass Apple die Technologie selber weiterentwickeln wolle.

Oddo BHF hat als Konsequenz ebenfalls das Rating für AMS Osram auf Underperform» von «Neutral gesenkt und das Kursziel auf 1,50 von 2,00 Franken.

Laut Barclays sind die News allein schon deshalb enttäuschend, weil AMS Osram zuletzt mit dem Refinanzierungsplan gute Fortschritte gemacht habe. Die Micro-LED-Technologie sei zwar nicht der Haupttreiber für den mittelfristigen Umsatz von AMS, aber doch einer der Wachstumsmotoren.

Die Aussichten auf eine Trendwende im zweiten Halbjahr und Erfolge beim Restrukturierungsprogramm hatten bei AMS im Februar für eine Kurshausse gesorgt. Allerdings befindet sich der Aktienkurs der AMS auf lange Zeit betrachtet auf Talfahrt. Auch befeuert durch eine Kapitalerhöhung im Dezember 2023 hatten die Papiere stark an Wert verloren. Zum Vergleich: Mitte 2023 kosteten die Aktien von AMS Osram noch über 8 Franken.

«Wir sind immer noch ein gesundes Unternehmen mit einer starken Bilanz»

«Der Schock sitzt immer noch tief», sagte CEO Aldo Kamper im Gespräch mit Analysten  am Donnerstagmittag. «Wir wurden davon ebenso überrascht wie Sie.»

1,3 Milliarden Euro habe das Unternehmen für den Bau der Fabrik, für die zum Teil bereits gelieferten Maschinen sowie für die Entwicklung der winzigen Leuchtdioden ausgegeben, sagte Finanzchef Rainer Irle. «Wir haben jahrelang daran gearbeitet und solide Fortschritte gemacht», sagte CEO  Kamper. «Wir dachten, es sei alles in der Spur», fügte Irle hinzu. «Jetzt müssen wir sehen, was wir damit machen.»

In einer Mitteilung hiess es, man werde «die zukünftigen Nutzungsmöglichkeiten aller zur microLED-Strategie gehörenden Vermögenswerte hinterfragen, insbesondere der neuen 8-Zoll-LED-Fabrik in Kulim». Ein neuer Kunde, der in die Bresche springen könnte, ist nicht in Sicht.

Zur Debatte steht ein Verkauf der Fabrik, ein Teil der Anlagen könne womöglich noch storniert werden, so Irle. Um Geld in die Kasse zu bekommen, hatte AMS-Osram das Werk bereits an einen Investor abgegeben und zurückgemietet.

Kamper hielt sich bedeckt, ob man Apple regresspflichtig machen könne. Zu den Vertragsinhalten dürfe er nichts sagen. «Die Gespräche mit dem Kunden dauern an», teilte AMS-Osram nur mit.

Das Projekt in Malaysia hatte noch Kampers Vorgänger als AMS-Chef, Alexander Everke, eingefädelt. Apple war traditionell einer der grössten Kunden der österreichischen AMS, bevor diese den Münchner Lichtkonzern Osram schluckte. Auch nach dem Verlust einiger grosser Aufträge ist man weiterhin mit dem US-Konzern im Geschäft.

Mit der Absage des MicroLED-Grossauftrags reduzieren sich auch die Wachstumsperspektiven von AMS-Osram: Statt eines mittelfristigen Umsatzwachstums im Kerngeschäft von sechs bis zehn Prozent seien nur noch sechs bis acht Prozent zu erwarten, hiess es. Beim Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) fehlten in diesem Jahr 30 bis 50 Millionen Euro, weil weniger Forschungs- und Entwicklungskosten aktiviert würden und weniger Subventionen zu erwarten seien.

AMS-Osram prüfe zusätzliche Einsparungen neben dem ohnehin laufenden Kostenprogramm, um den entgangenen Gewinn wettzumachen, teilte das Unternehmen mit. Davon betroffen sein könnte auch Regensburg, wo die MicroLEDs entwickelt wurden. Kredite seien durch die Abschreibungen nicht in Gefahr, betonte Kamper: «Wir sind immer noch ein gesundes Unternehmen mit einer starken Bilanz.»

 

(cash/AWP/Reuters)