Die Papier des britischen Lieferdienstes Deliveroo brachen am Mittwoch um 31 Prozent ein. Dabei war der Börsengang mit grossen Hoffnungen verbunden: Nämlich dass Deliveroo eine Flut von Technologie-Börsengängen an der Londoner Börse nach sich ziehen könnte. Analysten fürchten nun, dass Anleger nach dem desaströsen Debüt vorsichtiger werden: weg von sogenannten Wachstumsaktien ("growth") aus dem Technologiebereich hin zu Papieren ("Value"), die zu eher klassischen Sektoren zählen und stabilere Erträge versprechen.

Denn Deliveroo ist kein Einzelfall. "Der Wind hat gedreht bei allen Wachstumsaktien", sagt Angelo Meda, Aktienchef bei dem Makler Banor SIM in Mailand. Er macht auch die ungeschickte Preisfestlegung bei einigen Debüts für die anschliessenden Kursverluste verantwortlich. Zudem werden die Investoren angesichts rekordhoher Aktienmarktbewertungen und steigender Anleiherenditen vorsichtiger - gerade bei den Growth-Werten, bei denen die Unternehmen zwar oft schnelles Wachstum versprechen, aber der Gewinn ausbleibt.

Zähe Börsengänge

Die Anleger waren im vergangenen Jahr bei den Börsengängen von Technologieaktien verwöhnt worden mit deutlichen Kurssprüngen am ersten Handelstag - etwa bei der Zimmervermittlungs-Plattform AirBnB und dem Essens-Lieferdienst DoorDash. Das sieht nun anders aus: Ein Viertel der Top-20-Börsengänge dieses Jahres notiert derzeit beim Zuteilungspreis oder sogar darunter. So liegen die Papiere des polnischen E-Commerce-Unternehmens InPost nach einem guten Start inzwischen zehn Prozent unter ihrem Ausgabepreis, die Titel des Bewertungsportals Trustpilot fielen bereits an ihrem zweiten Handelstag darunter. Allerdings läuft es auch bei Aktien, die nicht zu den Techwerten zählen, mitunter zäh: Die Papiere des Funkmastenbetreibers Vantage Tower, der bisher grösste Börsengang in Deutschland in diesem Jahr, dümpeln derzeit um ihren Ausgabepreis.

Auch ausserhalb Europas lief es nicht immer rund: Die Aktien der Cloud-Plattform DigitalOcean gaben bei ihrem Start an der Wall Street in der vergangenen Woche um zwölf Prozent nach, die Papiere der chinesischen Techfirma Bairong rutschten am Mittwoch bei ihrem Debüt um 16 Prozent ab. Dagegen haben Aktien von Unternehmen aus eher traditionellen Branchen wie der deutsche Online-Autohändler Auto1 oder die Schuhfirma Dr Martens seit ihrem Börsengang in diesem Jahr gemessen am Ausgabepreis zugelegt.

Investoren picken Rosinen heraus

Zahlreiche weitere Unternehmen streben an die Börse. "Die Pipeline ist ziemlich voll, was ein Zeichen von Dynamik ist. Aber weil sie so voll ist, sind die Anleger wahrscheinlich wählerischer", sagt Eric Arnould, bei der französischen Investmentbank Natixis verantwortlich für den Aktienmarkt. Als Kandidaten für einen Börsengang gelten etwa der schwedische Zahlungsabwickler Klarna und die britische Cybersicherheitsfirma Darktrace.

Ankit Gheedi, Leiter der Aktien- und Derivatestrategie bei der französischen Grossbank BNP Paribas, geht nicht davon aus, dass Deliveroo den europäischen Markt für Börsengänge langfristig belasten wird. Denn die Investoren sitzen auf sehr hohen Cash-Beständen, für die sie Anlagemöglichkeiten suchen. "Eine Reihe von Firmen wollte nach Ostern eigentlich an die Börse starten. Jetzt werden sie zumindest ein wenig warten müssen, um zu sehen, wie sich der Markt entwickelt." 

(Reuters)