Für 2023 hatten sie darauf gesetzt, dass sich die Stimmung im zweiten Halbjahr aufhellen würde. Dann kamen die steigenden Zinsen, die flaue Konjunktur und nicht zuletzt der Überfall der Hamas auf Israel dazwischen. "Es gibt immer noch bei vielen Transaktionen eine beträchtliche Lücke in den Bewertungs-Vorstellungen zwischen Käufer und Verkäufer", räumt Christopher Droege ein, Co-Chef des Geschäfts mit Fusionen und Übernahmen (M&A) bei der US-Investmentbank Goldman Sachs in Frankfurt. "Das macht es oft schwierig, Deals in diesem Umfeld über die Ziellinie zu bringen."

Das Ziel ist oft weiter entfernt

Das schlägt sich auch in den Zahlen nieder. Mit knapp über 100 Milliarden Dollar war das M&A-Transaktionsvolumen mit deutscher Beteiligung nach Daten der LSEG (früher Refinitiv) in diesem Jahr so niedrig wie seit 2011 nicht mehr. Das sind noch einmal 29 Prozent weniger als im schwachen Jahr 2022. Viele grosse Transaktionen sind zu Hängepartien geworden. Der arabische Ölkonzern Adnoc baggert seit Monaten am Chemiekonzern Covestro, doch dessen Vorstand ziert sich. Und auch die auf 20 bis 25 Milliarden Euro taxierte Übernahme des deutschen Teils des niederländischen Stromnetzbetreibers TenneT durch den deutschen Staat zieht sich. Erst kamen die Wahlen in den Niederlanden dazwischen, dann das Verfassungsgerichtsurteil zum Klimafonds der Bundesregierung.

Deutsche Unternehmen machten sich als Käufer rar. Unter den grössten zehn Transaktionen des Jahres findet sich nur eines, das sich eine Übernahme zutraute: die Deutschen Börse, die die dänische Simcorp für vier Milliarden Euro schluckte. 2024 könnten mehr deutsche Unternehmen ins Ausland schauen, wenn sie nach Chancen suchten, mit Übernahmen zu wachsen, glaubt Tibor Kossa, Droeges Kollege bei Goldman Sachs. "Grenzüberschreitende Transaktionen sind zurück, und das dürfte so weitergehen."

Doch dass der Knoten aber schnell platzt, halten manche Experten für unwahrscheinlich. "Wahrscheinlich geht es erst einmal so weiter wie in diesem Jahr", unkt Kapitalmarktrechtler Michael Ulmer von der Anwaltskanzlei Cleary Gottlieb. Mut macht den Bankern die allmähliche Entspannung an den Kreditmärkten. "Es gibt wieder Finanzierungsoptionen für M&A, auch wenn Fremdkapital nicht mehr so günstig ist wie es schon einmal war", stellt Stefan Povaly, der Deutschland-Chef von JP Morgan, fest. Von einem "Krisenmodus" sei man im kommenden Jahr weit entfernt.

Finanzinvestoren stehen doppelt unter Druck

Das dürften vor allem Finanzinvestoren gerne hören. Sie hatten in den vergangenen Jahren am meisten von den niedrigen Zinsen profitiert, die ihnen die Aufnahme von Fremdkapital erleichterten. Mit knapp 23 Milliarden Dollar stemmten sie im zu Ende gehenden Jahr allein fast ein Viertel der M&A-Ausgaben in Deutschland. Nun müssen ihre Beteiligungsunternehmen, die die Kredite tilgen sollen, mehr verdienen: "Das Zinsniveau und die Finanzierungskosten haben sich um das Zwei- bis Dreifache erhöht, was in der Konsequenz bedeutet, dass mehr Free Cashflow erwirtschaftet werden muss, um die teureren Verpflichtungen zu bedienen", erklärt Steffen Kroner, Co-Deutschland-Chef bei der Beratungsfirma Alvarez & Marsal. Einige überfordert das, so dass die Finanzinvestoren einige ältere Beteiligungen schon an die Gläubiger abtreten und den Kaufpreis abschreiben mussten.

Goldman-Sachs-Banker Kossa glaubt, dass die Finanzinvestoren als Käufer trotzdem aktiv bleiben: "Private Equity versucht einen Vorteil aus Bewertungsunterschieden an den Kapitalmärkten zu ziehen." Das zeigte sich schon 2023: Gelistete Firmen wie die Software AG, der Linux-Softwareanbieter Suse und die Laborkette Synlab wurden von Finanzinvestoren übernommen, teilweise von den gleichen, die sie einige Jahre zuvor zu höheren Bewertungen an die Börse gebracht hatten.

Zugleich stehen die Finanzinvestoren unter wachsendem Druck, ihre Beteiligungen wieder zu verkaufen, die sie angesichts der Flaute am M&A-Markt zum Teil schon länger halten als geplant. "Durch die geringere Zahl an Exits und die Tatsache, dass sie sich bei ihren Portfoliounternehmen mehr auf die Wertschaffung konzentriert haben, waren die Ausschüttungen an die Investoren geringer", erklärt Sandra Krusch, Private-Equity-Spezialistin bei der Unternehmensberatung EY. Ein Ausweg könnte der Verkauf von Minderheitsanteilen an neue Investoren sein. Fonds aus dem Nahen Osten etwa seien weiterhin an solchen Engagements in Deutschland interessiert, berichtet Banker Michele Iozzolino von JPMorgan.

(Reuters)