Laut Umfragen der vergangenen Wochen haben Schweizerinnen und Schweizer da und dort Lücken im Verständnis des Vorsorgesystems. Beispielsweise haben in einer Studie der Hochschule Luzern 47 Prozent der Befragten «Zu kompliziert» als Grund dafür angegeben, dass sie den Vorsorgeausweis, der Informationen zu persönlichen Pensionskassenleistungen enthält, nicht verstehen. 33 Prozent antworteten mit «Bequemlichkeit», und 21 Prozent sagten «Kein Interesse».

«Es bestehen nach wie vor viele Wissenslücken, ohne dass sich die Versicherten dessen bewusst sind», sagt Yvonne Seiler Zimmermann, Professorin der Hochschule Luzern und Studienleiterin. Gerade die berufliche Vorsorge sei für viele eine «Blackbox», schreibt Raiffeisen im am Mittwoch erschienen Vorsorgebarometer 2025. Begriffe wie Umwandlungssatz oder Koordinationsabzug bereiteten nicht wenigen der Befragten Mühe. cash.ch geht auf die wesentlichsten Wissenslücken ein.

Können alle Personen in die Säule 3a einbezahlen?

Nein, nicht alle, sondern nur erwerbstätige und in der AHV versicherte Personen können in die dritte Säule einbezahlen. Auch Einkommen wie Taggelder der Arbeitslosenversicherung berechtigen zu Säule-3a-Beiträgen. Wer hingegen nicht im Erwerbsleben steht, etwa weil er oder sie sich ausschliesslich den Kindern widmet oder eine längere Auslandreise unternimmt, kann seine private Vorsorge nicht weiter ausbauen.

In der Studie der Hochschule Luzern (HSLU) haben 52 Prozent der Befragten diese Frage falsch beantwortet. Weitere 16 Prozent gaben an, es nicht zu wissen.

Problematisch daran sei, dass sich viele - 52 Prozent - des eigenen Nichtwissens nicht bewusst seien, sich deshalb nicht informierten und «mit grosser Wahrscheinlichkeit eine falsche Entscheidung treffen», heisst es in der Untersuchung, welche die HSLU Anfang September veröffentlicht hat. Handkehrum: Wer weiss, dass er über die Sache nicht Bescheid weiss, kann dieses Defizit wettmachen. So wird es beispielsweise möglich, vor einem absehbaren Erwerbsunterbruch bewusst intensiver für das Alter zu sparen.

Kann in jedem Fall freiwillig in die berufliche Vorsorge eingezahlt werden?

Solche freiwilligen Überweisungen an die zweite Säule füllen schon bestehende Beitragslücken und stärken so die persönliche Altersvorsorge. Sie können ausserdem von den Steuern abgezogen werden.

Allerdings sind sie weder unbeschränkt noch in jedem Fall möglich, was laut der HSLU-Studie 41 Prozent falsch sehen und 20 Prozent nicht wissen.

Zum einen informiert die Pensionskasse per Vorsorgeausweis über den maximalen Einkaufsbetrag. Und zum anderen gibt es Situationen, in denen andere Zahlungen Vorrang haben. Insbesondere müssen Gelder, die für den Erwerb von Wohneigentum bezogen wurde, zunächst zurückerstatten werden.

Zudem ist es nicht immer sinnvoll, freiwillig Geld in die Pensionskasse zu geben. Denn in der Regel ist dieses Geld gebunden und kann insofern nicht mehr für aktuelle Ausgaben verwendet werden. Vorsicht ist auch bei einer finanziell angeschlagenen Kasse angezeigt.

Was sagt der Umwandlungssatz aus?

Der Umwandlungssatz gibt an, wie hoch die Altersrente pro Jahr aufgrund des persönlichen Altersguthabens der zweiten Säule ist. Ein Beispiel: Bei einem Umwandlungssatz von 6,8 Prozent und einem Guthaben von 300'000 Franken erhält man eine Rente von 20'400 pro Jahr.

Gemäss dem Vorsorgebarometer von Raiffeisen wussten 44 Prozent, was der Umwandlungssatz ist. Alle anderen könnten «ihre Pensionskassenrente folglich kaum abschätzen», so der am Mittwoch publizierte Raiffeisen-Bericht. Der Befund überrasche, da sinkende Umwandlungssätze zu den grössten Sorgen der Bevölkerung zählten. Zuletzt wurde dieser Schlüsselsatz der Schweizer Vorsorgesystems im September 2024 vor der Abstimmung über die Reform der beruflichen Vorsorge (BVG) diskutiert. Im Raum stand eine Senkung auf 6,0 von 6,8 Prozent. Die Reform scheiterte allerdings.

Wichtig: Der Satz von 6,8 Prozent gilt nur im BVG-Obligatorium. Im Überobligatorium werden andere und typischerweise tiefere Sätze angewendet. Und so kann es sein, dass auf dem Vorsorgeausweise ein Umwandlungssatz von 5 oder weniger Prozent vermerkt ist. Die Schwelle zum Überobligatorium wird aktuell bei einem Einkommen von 90‘720 Franken überschritten.  

Was bedeutet der Koordinationsabzug?

Der Begriff klingt nach Bürokratie, und er ist lediglich rund einem Drittel der Bevölkerung geläufig. Doch dieser Frankenbetrag bestimmt massgeblich, wie hoch der versicherte Lohn in der Pensionskasse ist. Gegenwärtig liegt er bei 26'460 Franken beziehungsweise sieben Achteln einer vollen AHV-Jahresrente.

Diese Summe wird vom Erwerbseinkommen abgezogen, woraus der versicherte Lohn resultiert. Ein Beispiel: Wer 80'000 verdient, hat einen in der Pensionskasse versicherten Lohn von 53'540 Franken. Besonders Menschen, die wenig verdienen, weil sie beispielsweise Teilzeit arbeiten, können Nachteile erfahren. Denn von ihrem typischerweise tiefen Lohn wird ein verhältnismässig grosser Teil abgezogen. Dadurch können sie weniger Alterskapital ansparen.  

Allerdings können Pensionskassen ihren Versicherten stärker entgegenkommen, als es die offiziellen Regel besagen. Sie tun das bisweilen auch. Dann ermöglicht ein tieferer Koordinationsabzug eine bessere Altersvorsorge.

Stimmt es, dass Pensionskassen das Geld der Versicherten an der Börse anlegen und dass ein grosser Teil des angesparten Pensionskassenvermögens aus Kapitalerträgen stammt?

Das trifft zu, laut dem Raiffeisenvorsorgebarometer wissen aber nur 38 Prozent der Bevölkerung, dass Pensionskassen in Aktien, Obligationen und Immobilien investieren. Dabei sei der sogenannte dritte Beitragszahler «entscheidend für die finanzielle Stabilität des Systems». Gemeint sind die Erträge, welche die Vorsorgeeinrichtungen durch ihre Vermögensanlagen erzielen. Sie ergänzen, was Arbeitgeber und Arbeitgeber Monat für Monat einbezahlen - daher stammt der Begriff des dritten Beitragszahlers. 

Er ist durchaus relevant: So habe er 2024 rund 85 Milliarden Franken beigesteuert, was die kumulierten Beiträge der Arbeitgebenden und Arbeitnehmenden im selben Zeitraum übersteige, heisst es in der jüngst erschienen Pensionskassenstudie 2025 des Beratungsunternehmens Complementa.

Ist es korrekt, dass bei einer starken finanziellen Schieflage der Pensionskasse die Arbeitnehmer dazu verpflichtet werden können, Sanierungsbeiträge zu leisten?

Dies stimmt. Doch nur 32 Prozent sind sich dessen bewusst, wie aus der Raiffeisen-Befragung hervorgeht. Eine finanzielle Schieflage liegt - technisch gesagt - vor, wenn das Vermögen einer Pensionskasse nicht reicht, um ihre finanziellen Verpflichtungen zu erfüllen. Ob und wie sehr dies der Fall ist, zeigt sich am Deckungsgrad, dem Verhältnis von Vermögen und Verpflichtungen. Liegt er über 100 Prozent, gibt es keinen unmittelbaren Handlungsbedarf.

Ernst wird es aber, wenn der Deckungsgrad deutlich unter 100 Prozent sinkt und die Vorsorgeeinrichtung in eine Unterdeckung fällt. Dann muss sie handeln, wobei es eine Reihe möglicher Sanierungsmassnahmen gibt. Zum Beispiel kann die Anlagestrategie angepasst oder die Verzinsung der Altersguthaben gesenkt werden. Genügt dies nicht, können auch die Arbeitnehmer zu Sanierungsbeiträgen aufgerufen werden.

Darum ist ein Blick auf den Deckungsgrad gerade vor einem Stellenwechsel ratsam. Ist die finanzielle Lage der künftigen Pensionskasse stabil, wie hat sie sich über die Zeit hinweg entwickelt und droht eine Unterdeckung? Aufschluss geben die Geschäftsberichte der jeweiligen Vorsorgeeinrichtungen.

Extrafrage: Können Eltern für ihr Kind ein Säule-3a-Konto eröffnen und darauf einzahlen?

Momentan läuft dazu erst ein noch nicht durchdiskutierter Vorstoss im Bundesparlament. Er verlangt, dass die Eltern ein Säule-3a-Konto auf den Namen ihres Kindes einrichten können und dieses Konto zur Volljährigkeit an das Kind übergeht. Die Einzahlungsbeträge würden sich nach den bekannten Werten der privaten Vorsorge richten. Falls das Konzept schon greifen würde, könnten Angestellte für das Jahr 2025 somit maximal 7258 Franken für ihren Nachwuchs überweisen.

Dieser, so lautet ein zentrales Argument für die Idee, könnte vom Zinseszinseffekt profitieren. «Über mehrere Jahrzehnte können so substanzielle Beträge aufgebaut werden, was den Kindern später den Einstieg ins Berufsleben oder in die Selbstständigkeit erleichtert», lautet es im Text zur Motion, die im Juni dieses Jahres eingereicht wurde. Zudem kämen die Eltern in den Genuss von Steuervorteilen - sie könnten die Beiträge jeweils abziehen.

Der Bundesrat lehnt das Anliegen mit der Begründung ab, es komme «einem grundlegenden Umbau der dritten Säule gleich». Diese sei als Selbstvorsorge ausgestaltet und nur Erwerbstätigen mit einem AHV-pflichtigen Einkommen zugänglich.

Die Motion gelangt nun ins Parlament, das sie unabhängig vom Bundesrat ablehnen oder ihr zustimmen kann.

Reto Zanettin
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