Die Aktie von Tesla ist wieder am Steigen. Hat der Konzern von Elon Musk die Probleme nun im Griff?

Christian Zogg: Der Kurssprung Ende Oktober ist darauf zurückzuführen, dass Tesla für das dritte Quartal einen deutlich besseren als prognostizierten Gewinn erzielte. Der Konzern «verbrennt» aber weiterhin Geld, und ein angemessener Free Cashflow wird bei weitem nicht erzielt. In nächster Zeit werden zunehmend Produkte namhafter Konkurrenten auf den Markt kommen. Porsche bringt mit dem Taycan ein Fahrzeug, das dem Modell S von Tesla wohl ernsthaft Konkurrenz machen wird. Anleger, die sich in dem Titel engagieren wollen, müssen weiterhin mit einer sehr volatilen Kursentwicklung rechnen. Die Aktie wird von der Liechtensteinischen Landesbank nicht zum Kauf empfohlen.

Der saudische Ölkonzern Saudi Aramco hat seinen Börsengang verkündet. Wie attraktiv ist der Staatskonzern für Anleger?

Der IPO des staatlichen saudischen Erdölkonzerns Saudi Aramco dürfte tatsächlich ein Ereignis der Superlative werden. Selbst wenn man die verschiedenen Probleme im Zusammenhang mit ESG-Kriterien ausblendet, ergibt sich für den Privatanleger wohl kein Handlungsbedarf  – es  sei denn, die Titel würden deutlich unter dem Niveau der ohnehin schon gedrückten Bewertungen anderer führender Erdölkonzerne angeboten. Zahlen für eine konkrete Beurteilung liegen aber aktuell nicht vor.

Am Freitag beginnt die Amtszeit der neuen EZB-Chefin Christine Lagarde. Wird sich die Euro-Geldpolitik unter Führung der Französin stark verändern?

Frau Lagarde hat die weltweite Einführung von unkonventionellen Massnahmen der Zentralbanken in der Vergangenheit bisher öffentlich immer positiv bewertet. Vor diesem Hintergrund ist zunächst kein Wechsel in der europäischen Geldpolitik zu erwarten. Sie wird damit den von Mario Draghi eingeschlagenen expansiven Kurs zumindest vorerst fortsetzen. Eine kurzfristige, abrupte Abkehr von der gewählten Geldpolitik ist ohne das Risiko einer Rezession in Europa nicht machbar. Es bleibt zu hoffen, dass im Laufe ihrer Amtszeit ein Pfad zu einer geldpolitischen Normalisierung eingeschlagen wird.

Was beschäftigt derzeit die Finanzmärkte sonst noch?

Die Hauptthemen, welche die Märkte beschäftigen, sind einerseits der Handelskonflikt zwischen den USA und China und andererseits die Geldpolitik beziehungsweise die Folgen einer extremen Tiefzinspolitik. Auf Europa bezogen spielt der Brexit ebenfalls eine Rolle. Wir befinden uns mitten in der Berichterstattung der Unternehmen für das dritte Quartal. Zwar gelingt es vielen Firmen, die Erwartungen der Analysten zu übertreffen. In Summe muss man aber feststellen, dass die Gewinne im Vergleich zum Vorjahr stagnieren. Die Erwartungen für nächstes Jahr mit einem globalen Gewinnwachstum von knapp 10 Prozent sind unseres Erachtens noch immer deutlich zu hoch.

Bald beginnt das Börsenjahr 2020: Wie lautet Ihre Prognose für die Schweizer Börse und andere wichtige Handelsplätze?

2019 war bisher ein ausgezeichnetes Aktienjahr. Man darf aber nicht die Augen davor verschliessen, dass die Bewertungen vieler Aktien nicht mehr günstig sind und dass es aufgrund der Tiefzinspolitik der führenden Notenbanken zu einer Nachfrage nach so genannt defensiven Aktien kommt. Das Wachstum der globalen Wirtschaft schwächt sich ab, und das führt zu tieferen Unternehmensgewinnen. Wir gehen davon aus, dass es in den nächsten Monaten deshalb zu einer Korrektur an den Aktienmärkten kommt.

Und wie wird sich die Schweizer Börse kurzfristig entwickeln?

Der Schweizer Aktienmarkt hat im Jahresverlauf bereits um über 25 Prozent zulegen können. Damit vermochte er den wichtigen US-Markt, aber auch die europäischen Konkurrenten klar auf Distanz zu halten. Das hat primär mit den «defensiven» Qualitäten der Indexzusammensetzung zu tun. Insbesondere Nestlé, die beiden grossen Pharmatitel sowie die Versicherer trugen wesentlich zur herausragenden Performance bei. Die Aktienkurse sind dabei deutlich schneller gestiegen als die entsprechenden Unternehmensgewinne. Wie gesagt: Wir gehen davon aus, dass es demnächst zu einer Korrektur kommt.

Wo steht der SMI in zwölf Monaten?

In einer Bandbreite von 9250 bis 9750 Punkten, also etwas tiefer als zum heutigen Zeitpunkt.

Das Interview erschien zuerst bei handelszeitung.ch mit dem Titel: «Tesla verbrennt weiterhin Geld»