Jon Peer ist Leiter Projektentwicklung und Geschäftsleitungsmitglied der Berner Unternehmensgruppe Von Graffenried.
Die Leitzinsen steigen. Kommen nun die Preise für Wohnimmobilien unter Druck?
Jon Peer: Es stellt sich vorerst eine Grundsatzfrage: Kommt es wieder zu einer Abflachung des Zinsmarktes, oder steigen die Zinsen weiter an – bedingt durch die Inflation? Die Preise für Wohnimmobilien kommen durch die Zinssteigerung nicht in jedem Fall unter Druck. Die Märkte für Spezialimmobilien und für Luxusobjekte beispielsweise spielen nach eigenen Regeln. Und die Zuwanderung könnte sinkenden Preisen entgegenwirken. Es gibt verschiedene Anzeichen, dass sich die Zuwanderung in die Schweiz wieder verstärken wird, was eine grössere Nachfrage nach Wohnimmobilien auslösen würde. Eine Preiskorrektur bei Anlageimmobilien scheint allerdings durchaus möglich. Auf längere Sicht dürfte die Korrektur jedoch marginal ausfallen, da mit der Inflation auch Mietzinserhöhungen nicht ausgeschlossen sind.
Sie investieren schwergewichtig in der Grossregion Bern. Finden Investoren und private Käuferinnen hier noch viele attraktiv bewertete Angebote?
Ich investiere schwergewichtig im Heimmarkt, also in der Grossregion Bern. Hier sind – wie in der ganzen Schweiz – renditestarke Immobilien eine Rarität geworden. Dennoch kommen immer wieder Objekte auf den Markt, die für den Einzelnen eine sinnvolle – also attraktive – Wertanlage sein können.
Sie verkaufen auch Gastronomielokale. Lassen sich für Restaurants derzeit einfach Käufer finden – welche Besonderheiten und Schwierigkeiten weist das Segment auf?
Gastronomielokale weisen eine eigene Dynamik auf. Gastronominnen können wegen der Bankauflagen den Kauf in den meisten Fällen nicht finanzieren. Deshalb ist bei der Suche nach einer Käuferschaft Flexibilität gefragt. Nicht selten finden sich für schmucke Gastro-Lokale beispielsweise Liebhaber, welche sich als Investoren für den Erhalt eines Betriebes einsetzen. Häufig sind auch Immobilieninvestorinnen an solchen Lokalen interessiert – für eine Umnutzung und/oder eine Projektentwicklung.
Sie haben auch historische Immobilien in Ihrem Portfolio. Sind Käuferinnen und Käufer bereit, für Gebäude mit langer Geschichte einen Aufpreis zu zahlen?
Davon bin ich überzeugt! Historische Bauten weisen ein gewisses Prestige auf. In solchen Gebäuden lassen sich höhere Mietzinse realisieren als in Liegenschaften aus den öden 60er Jahren. Auch die Verkaufspreise sind oft höher als bei schmucklosen Zweckbauten.
Wie attraktiv für Investitionen sind Einkaufscenter derzeit?
Das hängt insbesondere von der Lage, der Erreichbarkeit und der Nutzerstruktur ab. Im Retailgeschäft muss das Angebot ständig erneuert werden, denn die Bedürfnisse der Menschen verändern sich laufend. Wenn alle Faktoren stimmig sind, kann ein Fachmarkt oder ein Einkaufscenter als Investment durchaus sinnvoll sein für das Portfolio eines Investors. Einkaufszentren haben als Erlebnis- und Begegnungsort eine langfristige Daseinsberechtigung – davon bin ich trotz des Online-Booms überzeugt.
Welche Eigenschaften zeichnen attraktive Wohnliegenschaften aus?
Erstnes, eine attraktive Lage, zweitens, eine ansprechende Architektur. Drittens, grosszügige, helle Grundrisse,. Dann viertens grosse Aussenräume wie Balkone, Terrassen oder Vorgärten. Und dann fünftens, Nähe zu Schulen und Einkaufsmöglichkeiten.
Der Leerstand sinkt in der Schweiz, es wird schwieriger, freie Wohnungen zu finden. Droht in gewissen Regionen gar eine Wohnungsnot?
Grossstädte – namentlich Zürich und Genf – weisen seit Jahren ein nur knappes Wohnangebot aus. Aber in und um diese Ballungszentren sind aktuell mehrere Immobilienprojekte in Planung. Somit sollte das Wohnungsangebot in den kommenden Jahren steigen. Eine akute Wohnungsnot ist nicht in Sicht, vorausgesetzt natürlich, dass auch die Mieten bezahlbar bleiben.
Dieser Artikel erschien zuerst im Digitalangebot der "Handelszeitung" unter dem Titel: "Renditestarke Immobilien sind eine Rarität geworden"