Der sogenannte «Lebensabend» ist für viele bereits während jungen Jahren das grosse Ziel. Endlich Freiheit, in den Tag hinein leben und sich nicht mehr über nervige Chefs oder Kollegen aufregen müssen. So zumindest die Vorstellung. Was viele vergessen, sind die altersbedingten Gebrechen oder Krankheiten, welche die Lebensfreude ziemlich schnell verderben können.

Zusätzlich belastend wird es, wenn es um das Finanzielle geht. Paare sind im Alter vielleicht nicht mehr fit genug, einander zu pflegen, die Kinder sind eigenständig und haben eigenen Nachwuchs, der genug Aufmerksamkeit braucht. Der einzige Ausweg ist professionelle Hilfe, wo die Kosten für eine Pflegeeinrichtung oder Spitex jedoch ziemlich schnell stark ins Geld gehen.

Zu wenig Kapital

Gemäss der sozialmedizinischen Institution Curaviva leben heutzutage knapp 155’000 Menschen vorübergehend oder auf Dauer in einer Pflege- oder Altersinstitution. Im Durchschnitt erfolgt der Heimeintritt im Alter von 82 Jahren. Dieser Wert erhöht sich zunehmend, da zusätzliche Angebote wie die Spitex vorher stärker in Anspruch genommen werden. 2024 machten gemäss dem Bundesamt für Gesundheit 424'000 Menschen von der Spitex Gebrauch. 

Die durchschnittlichen Kosten in Schweizer Alters- und Pflegeheimen beliefen sich vergangenes Jahr auf 10'875 Franken pro Monat, so die Daten von Curaviva. Davon mussten die pflegebedürftigen Personen fast 6'000 Franken selbst tragen. Auf ein Jahr hochgerechnet sind das 72'000 Franken. Die durchschnittliche Aufenthaltszeit in einer Pflegeinstitution beträgt 784 Tage, also rund zwei Jahre. Die selber zu tragenden Kosten betragen somit knapp 160'000 Franken.

Je nach Zeitpunkt und Alter ist möglicherweise noch genug Geld vorhanden, diese Kosten zu decken. Laut einer VZ-Studie von 2024 gehen mittelständische Schweizer Paare mit einem Vermögen von 1,5 Millionen Franken in Rente - inklusive Eigenheim. In diese Gruppe fallen Paare, die im Alter von 60 bis 68 sind und über ein jährliches Bruttoeinkommen von 100'000 bis 214'000 Franken verfügen. Da es ein Medianwert ist, verfügen 50 Prozent der Haushalte über weniger Kapital, und 50 Prozent der Haushalte über mehr. 

Wiederum sind die 784 Tage ein Durchschnittswert - und bei einer langwierigen Krankheit kann dieser um einiges höher liegen, wonach die Kosten entsprechend höher ausfallen. Bei einem Heimaufenthalt von sieben Jahren wäre es bereits eine halbe Million, welche an Reserven vorhanden sein müssen. Das Kapital alleine reicht je nach Vermögenssituation im «Worst Case» deshalb nicht aus, um die Pflegekosten zu decken. Hier gibt es vor allem bei der Vererbung einige wichtige Punkte zu beachten.

Erbe gut regeln

Hohe Pflegekosten führen oft zu der Überlegung, Vermögen frühzeitig an die eigenen Kinder zu verschenken, damit noch etwas zu vererben bleibt. Das ist jedoch aus zweierlei Überlegung riskant. «Wer sein Vermögen zu früh an die nächste Generation überträgt, riskiert im Bedarfsfall, nicht mehr über ausreichende finanzielle Mittel zu verfügen. Zudem sollten die möglichen Auswirkungen von Schenkungen und Erbschaften sorgfältig abgewogen werden», warnt Olivier Serex, Finanzplaner von Migros Bank. 

Damit bezieht er sich auf steuerliche Auswirkungen und Pflichtteile des Erbes. Ausserdem wird verschenktes Vermögen bei Ergänzungsleistungen (EL) weiterhin berücksichtigt – als wäre es noch vorhanden. Pro Jahr seit der Schenkung werden lediglich 10’000 Franken abgezogen. Dadurch kann es passieren, dass man weniger oder gar keine Ergänzungsleistungen erhält.

Zudem prüft das Amt seit 2021, ob in den zehn Jahren vor dem Antrag auf Ergänzungsleistungen zu viel Vermögen verbraucht oder verschenkt wurde. Nach dem Tod eines EL-Bezügers müssen die Erben ausserdem alle erhaltenen Ergänzungsleistungen zurückzahlen, soweit ihr Erbteil 40’000 Franken übersteigt; bei Ehepaaren gilt dies erst nach dem Tod beider Partner.

Wenn das Vermögen der pflegebedürftigen Person nahezu erschöpft ist und auch Ergänzungsleistungen sowie andere Hilfen nicht ausreichen, greift die Unterstützungspflicht. Dann können wohlhabendere Angehörige in direkter Linie - also Eltern, Kinder, Grosseltern oder Enkel – zu finanziellen Beiträgen verpflichtet werden. Mit «wohlhabend» sind laut Gesetz Personen definiert, die in «günstigen Verhältnissen» leben. Konkret sind das laut der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe Alleinstehende mit einem Bruttoeinkommen von 120'000 Franken oder mehr, verheiratete Paare ab einem Einkommen von 180'000 Franken.

Konkretes Beispiel:

Frau Meier ist 78 Jahre alt und schenkt ihrer Tochter im Jahr 2020 100'000 Franken. Drei Jahre später, 2023, muss Frau Meier in ein Pflegeheim. Ihr Einkommen reicht nicht aus, um die hohen Pflegekosten zu decken, deshalb beantragt sie Ergänzungsleistungen (EL).

Von den 100'000 Franken werden pro Jahr nur 10'000 Franken abgezogen:

2020 → Schenkung

2021 → –10'000

2022 → –10'000

2023 → –10'000

Verbleibender Betrag: 70'000 Franken.

Obwohl Frau Meier selbst kein Geld mehr hat, behandelt das Amt sie so, als besässe sie noch 70'000 Franken. Dadurch erhält sie deutlich weniger oder gar keine Ergänzungsleistungen.

Einige Jahre später verstirbt Frau Meier. In den letzten Jahren hat sie insgesamt 60'000 Franken an Ergänzungsleistungen erhalten. Die Tochter erbt nach Abzug aller Kosten 50'000 Franken.

Da ihr Erbanteil über 40'000 Franken liegt, muss sie die bezogenen Ergänzungsleistungen teilweise zurückzahlen – in diesem Fall 10'000 Franken.

Pflegeversicherung

Eine Möglichkeit ist der Abschluss einer privaten Pflegeversicherung, welche Beiträge an die Haushaltshilfe oder das Pflegeheim leistet und somit das Vermögen schützt. Eine solche Rente kann, egal ob Demenz oder nur teilweisem Pflegebedürfnis, geltend gemacht werden.

Dabei variiert jedoch die Höhe der Rente. Die Zurich Versicherung unterteilt dabei in fünf Grade der gesetzlichen Pflegeversicherung, welche von Grad 1, geringe Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten, bis zu Grad 5, schwerste Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung, reicht. 

Eine solche Zusatzversicherung ist aber oftmals sehr teuer, was auf die vergleichsweise hohen Prämien für beschränkte Leistungen zurückgeht - welche an Bedingungen geknüpft ist. Ausserdem muss die Versicherung möglichst früh abgeschlossen werden, da im Pensionsalter die Gesundheitsprüfung oftmals nicht bestanden wird. Die Wartefristen sind zudem sehr lange.

«Eine solche Versicherung eignet sich besonders für Personen, die ihr Vermögen für die nächste Generation sichern möchten», fasst Olivier Serex zusammen. Auch für Personen, die nicht über ausreichende finanzielle Rücklagen verfügen, um mögliche Pflegekosten selbst zu tragen, die laufenden Prämien jedoch problemlos aus ihrem Budget bezahlen können, kommt die Versicherung laut dem Experten infrage.

Verkauf des Eigenheims

Mit dem Eintritt in ein Alters- oder Pflegeheim kommt zwangsläufig der Verkauf des Eigenheims auf die Erwägungsliste. Serex empfiehlt: «Es sollte geprüft werden, ob das Eigenheim altersgerecht ist oder ob ein Umzug in eine barrierefreie Wohnung die bessere Option darstellt.» Zudem sei zu analysieren, ob die laufenden Kosten sowie zukünftige Renovationen weiterhin tragbar seien oder ob ein Verkauf finanziell sinnvoller wäre.

Aber auch zur Finanzierung der Pflegekosten kann ein Verkauf eine gute Lösung sein. Der Verkauf ist vor allem zwingend, wenn Ergänzungsleistungen geltend gemacht werden möchten. Denn der Wert des Eigenheims zählt zum Vermögen, welcher den sogenannten «Freibetrag» von 100’000 Franken bei weitem überschreitet.

Eine andere Möglichkeit wäre die Vermietung des Eigenheims, um zusätzliches Einkommen zu generieren. Allerdings müsste sich der Eigentümer in diesem Fall auch um anfallende Pflichten in dieser Rolle kümmern. Daher erscheint ein Verkauf des Hauses wohl sinnvoller. Es lohnt sich, frühzeitig zu informieren, um Stolperfallen und voreilige Entscheide und somit potenzielle finanziellen Einbussen zu verhindern. Darüber hinaus sollte laut Serex geklärt werden, ob das Eigenheim an die nächste Generation weitergegeben werden soll und ob diese in der Lage ist, es zu übernehmen.

Private Vorsorge

Die wohl beste Möglichkeit, sich gegen hohe Pflegekosten im Alter abzusichern, ist der gezielte Aufbau privater Vorsorge. «Eine zentrale Rolle bei der Absicherung spielt der frühzeitige Vermögensaufbau, beispielsweise durch Fondssparpläne, Investitionen in Wertschriften und Ausschöpfung der maximalen Beiträge in die Säule 3a», erläutert der Finanzplaner der Migros Bank.

Ein regelmässiges Einzahlen in die Säule 3a kann über die Jahre ein finanzielles Polster schaffen, das später für Pflegekosten eingesetzt werden kann, ohne dass man sofort auf Ergänzungsleistungen angewiesen ist. Neben klassischen 3a-Sparkonten gibt es auch 3a-Fonds, die in Aktien oder gemischte Anlagen investieren und höhere Renditechancen bieten.

Die freie Vorsorge in Form von Wertpapieren und anderen Anlagen – also ETFs, Fonds oder Aktien – kann ebenso eine sinnvolle Strategie sein, bei der das Geld vor der Pensionierung einfacher zugänglich ist. Wichtig ist dabei eine passende Risikoverteilung. Wer frühzeitig gestreut investiert, hat bessere Chancen, über die Jahre ein stabiles Vermögen aufzubauen. Mit zunehmendem Alter ist es zudem sinnvoll, den Anteil sicherer Anlagen zu erhöhen, um starke Wertschwankungen im falschen Moment zu vermeiden.

Private Vorsorge hat den Vorteil, dass man nicht auf staatliche Leistungen angewiesen ist und mehr finanziellen Spielraum behält. Gleichzeitig muss man beachten, dass auch Wertschriften bei einem späteren Antrag auf Ergänzungsleistungen berücksichtigt werden. 

Serex empfiehlt zusätzlich, regelmässig die finanzielle Situation zu überprüfen, um die Sparbeträge an veränderte Lebensumstände anzupassen. Zudem sei es empfehlenswert, bereits mit dem Berufseinstieg regelmässig Vermögen aufzubauen. 

Aisha Gutknecht arbeitet seit Juli 2024 als Redaktorin für cash.ch.
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