Die Federal Reserve hat die Leitzinsen in den USA seit Anfang 2022 von nahe null auf eine Spanne von 5,00 bis 5,25 Prozent nach oben getrieben, um der Inflation entgegenzuwirken. Damit ist wahrscheinlich noch nicht Schluss. Eine Anhebung der Zinsen im Juli bleibt eine Option, wie Währungspolitiker in den letzten Tagen durchblicken liessen. Auch in Europa und anderswo auf der Welt haben Geldpolitiker in den letzten eineinhalb Jahren kräftig an der Zinsschraube gedreht.

Diese Zinserhöhungen bleiben nicht ohne Wirkung auf die internationale Firmenlandschaft. "Vor allem unprofitable und hoch verschuldete Unternehmen leiden nun unter hohen Kreditkosten", schreibt Bert Flossbach, Co-Gründer des deutschen Vermögensverwalters Flossbach von Storch, in einem Beitrag. Unter diesen Firmen befänden sich auch einige "Zombies", die teilweise auf erheblichen Schuldenbergen sässen und denen nun das Geld auszugehen drohe.

Das verschärfte Umfeld bei den Kreditkosten trifft die Firmen erst mit einer gewissen Verzögerung, wie Flossbach weiter schreibt. Noch sei die Zinslast niedrig, weil die vor Jahren emittierten Anleihen oder aufgenommenen Kredite niedrige Zinscoupons aufwiesen. "Die anstehenden Refinanzierungen werden allerdings deutlich teurer, sofern die Unternehmen überhaupt noch an Geld kommen."

Flossbach, einer der bekanntesten deutschen Börsenstrategen, führt das Beispiel des US-Online-Autohändlers Carvana ins Feld, der im Jahr 2021 in der Spitze einen Börsenwert von 60 Milliarden US-Dollar erreicht hatte. Zum Ende des ersten Quartals war das Unternehmen noch mit 1,6 Milliarden Dollar wert. Seit dem Börsengang im Jahr 2017 hat Carvana in Summe Umsätze von 38 Milliarden Dollar erzielt und dabei Verluste von 4,4 Milliarden verbucht. Die Finanzschulden betragen 7,9 Milliarden Dollar, in der Kasse lagen zum Jahresende noch rund 400 Millionen Dollar.

"In Summe dürften sich die Zinsausgaben dieses Jahr auf mehr als 600 Millionen Dollar belaufen", so Flossbach. Für ein Unternehmen, das noch nie Gewinne gemacht habe und auf einem Schuldenberg von 8 Milliarden Dollar sitze, sei dies eine grosse Bürde. Es verwundere daher nicht, dass die Anleihen des Unternehmens inzwischen weit unter ihrem Nominalwert handelten und Renditen von deutlich über 20 Prozent aufwiesen.

Highflyer des Technologiebooms ebenfalls betroffen

Ähnlich dramatisch sehe es bei anderen Highflyern des Technologiebooms wie beispielsweise Opendoor aus. Die Immobilienplattform habe in den vergangenen Jahren immer grössere Verluste geschrieben und einen Schuldenberg von mehr als 4 Milliarden Dollar aufgetürmt. Der Börsenwert ist von 20 auf 1 Milliarde Dollar gefallen und die Anleihen rentieren mit mehr als 20 Prozent.

Die Liste an "Zombies" liesse sich beliebig fortführen, schreibt Flossbach weiter. Auch wenn der Zinsanstieg zumeist nicht ursächlich für die Probleme sei, verschärfe er sie. Es werde für Unternehmen zukünftig viel schwieriger und teurer, bestehende Schulden zu refinanzieren oder neues Kapital aufzunehmen, zumal der Risikoappetit der Banken nach den jüngsten Turbulenzen geringer werden dürfte.

Auch Immobilienunternehmen, die mit hohem Fremdkapitaleinsatz arbeiteten, litten unter dem starken und raschen Zinsanstieg. "Hinzu kommen steigende Kosten für Instandhaltung, energetische Sanierungen und Verwaltung. Wenn die Mieteinnahmen mit dem Kostenanstieg nicht Schritt halten können, fallen die Gewinne", so Flossbach weiter.

"Sollten die Zinsen weiter steigen, droht ein langanhaltendes Siechtum", schlussfolgert Flossbach. Für die Banken sei dies zunächst wenig problematisch, da ihre Kredite durch Tilgungen und gestiegene Immobilienwerte zumeist gut besichert seien. Allerdings habe der Anstieg des Zinsniveaus zu einem starken Rückgang des Neukreditgeschäfts geführt.

Qualität von Unternehmen von besonderer Bedeutung

"Den Banken dürfte es Tränen in die Augen treiben, wenn sie die niedrige Verzinsung ihrer Altkredite betrachten, aber nur wenig hochverzinsliches Neugeschäft machen können." Gleichzeitig werde die Refinanzierung teurer, denn immer weniger Anleger dürften bei anhaltend hohen Zinsen noch bereit sein, ihre Spar- und Kontoguthaben nahezu unverzinst der Bank zu überlassen.

Das Fazit für Anlegerinnen und Anleger von Flossbach: "In Zeiten steigender Zinsen, einer restriktiveren Kreditvergabe der Banken, einer möglichen Wirtschaftsschwäche und einer hartnäckig hohen Inflation ist die Qualität von Unternehmen von besonderer Bedeutung." Hierzu zählten ein möglichst sicheres langfristiges Ertragswachstum dank einer starken Wettbewerbsposition und der damit verbundenen Preissetzungsmacht.

Auch die Solvenz, die in Zeiten unbegrenzten Zugangs zu billigem Geld eine untergeordnete Rolle spielte, rücke wieder in den Vordergrund. Unternehmen, die traditionell mit hohen Schulden operierten, spüren nun die unangenehme Seite des Kredithebels.

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