Präsident Wladimir Putin unterzeichnete am Mittwoch ein Gesetz, nach dem die Gebiete Donezk, Luhansk, Saporischschja und Cherson Teil der Russischen Föderation sind. Putin zeigte sich trotz der jüngsten Erfolge der ukrainischen Armee vor allem in Donezk und Cherson zuversichtlich, dass sich die Lage in den annektierten Gebieten bald stabilisieren werde. Im russischen Staatsfernsehen fügte er hinzu, Russland hege "trotz der aktuellen Tragödie grossen Respekt für die ukrainische Bevölkerung".

Seit Beginn des russischen Angriffskriegs sind Zehntausende Menschen getötet worden, Millionen Menschen haben ihre Heimat verlassen. Die Regierung in Moskau spricht nach wie vor von einer "militärischen Sonderoperation". Russland beansprucht jetzt die vollständigen Gebiete der annektierten Regionen, obwohl die ukrainische Armee Teile davon nach wie vor kontrolliert und ihre Präsenz dort ausweitet. Wie genau die Grenze verlaufen sollen, ist angesichts dieser Lage unklar. Putins Sprecher Dmitry Peskow sagte dazu, das werde man mit den Vertretern vor Ort klären. Zusammen mit der 2014 annektierten Halbinsel Krim hätte sich Russland nun 22 Prozent des ukrainischen Staatsgebiets einverleibt.

Putin: Nutzung atomarer Waffen nicht ausgeschlossen

Nach Vollzug der Annexionen könnte Russland die ukrainische Gegenoffensive als Angriff auf das eigene Territorium werten und entsprechend reagieren. Putin hat bereits mehrmals betont, Russland mit allen Mitteln zu verteidigen, und dabei die Nutzung atomarer Waffen nicht ausgeschlossen. Zugleich hat der Präsident eine Massenmobilisierung von 300'000 Reservisten angeordnet, von der er allerdings am Mittwoch teilweise wieder abrückte. Er habe das vor zwei Wochen erlassene Dekret korrigiert und die Mobilmachung für einige Studenten - unter anderem an Privatuniversitäten - sowie für bestimmte Postgraduierte ausgesetzt, sagte Putin bei einem im russischen Fernsehen übertragenen Treffen mit Lehrern. Seit Verfügung der Mobilmachung haben bereits Tausende Russen das Land verlassen.

Die Regierung in Kiew hat wie der Westen mehrfach betont, dass sie die Annexion der Gebiete im Osten und Süden niemals akzeptieren werde. Russland begründete den Schritt mit zuvor gemachten Volksabstimmungen in den Gebieten, die die Ukraine und der Westen als "Schein-Referenden" verurteilten. Andrij Jermak, Chef des ukrainischen Präsidialamts, schrieb auf Telegram, die Handlungen Russlands erinnerten ihn an ein "kollektives Irrenhaus". Er betonte: "Wertlose Entscheidungen eines terroristischen Staates sind nicht das Papier wert, auf dem sie unterzeichnet sind."

Die EU-Staaten einigten sich als Reaktion auf die jüngsten Entwicklungen am Mittwoch grundsätzlich auf ein achtes Sanktionspaket gegen Russland, wie die amtierende tschechische Ratspräsidentschaft mitteilte. US-Präsident Joe Biden betonte, die Vereinigten Staaten würden die Annexion ukrainischen Territoriums durch Russland nie anerkennen, wie das US-Präsidialamt erklärte.

Russland: Stellungen im Süden werden gehalten

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj teilte unterdessen mit, seine Armee habe im Süden und Osten des Landes deutliche und schnelle Fortschritte gemacht. Dort seien Dutzende Siedlungen zurückerobert worden, die in den von Russland annektierten Gebieten lägen, sagte Selenskyj in seiner nächtlichen Videobotschaft. "Allein in dieser Woche, seit dem russischen Pseudo-Referendum, wurden Dutzende bevölkerter Zentren befreit. Diese befinden sich alle in den Regionen Cherson, Charkiw, Luhansk und Donezk", sagte er. Reuters konnte diese Aussagen nicht unabhängig überprüfen.

"In einigen Bereichen der Frontlinie war es möglich, das von uns besetzte Gebiet um zehn bis 20 Kilometer zu erweitern", teilte das südliche Operationskommando der ukrainischen Streitkräfte (UAF) am Mittwoch mit. Die russischen Streitkräfte hätten bei ihrem Rückzug Munitionsreserven zerstört und versucht, durch die Zerstörung von Brücken und Übergängen den Vormarsch der ukrainischen Truppen zu stoppen. In Cherson hätten abziehende russische Streitkräfte Minen platziert, hiess es zudem. In den vergangenen 24 Stunden verlor Russland nach Angaben des UAF 31 Soldaten sowie mehr als 40 Stück Kriegsgerät, darunter acht Panzer, 26 gepanzerte Fahrzeuge und eine grosskalibrige Haubitze

Nach Angaben des Verteidigungsministeriums in Moskau halten die russische Truppen aber mittlerweile ihre Stellungen in der Region Cherson. Sie wehrten "Angriffe überlegener feindlicher Kräfte" ab. In seinem täglichen Briefing berichtete das Ministerium von russischen Luftangriffen auf die Siedlungen Dutschany und Dawydiw Brid. Damit bestätigte es den Verlust der beiden wichtigen Dörfer, die seit März von russischen Truppen kontrolliert wurden.

US-Präsident Biden sagte Selenskyj in einem Telefonat weitere Unterstützung zu. Demnach werden die USA der Ukraine 625 Millionen Dollar an neuen Hilfen zur Verfügung stellen, einschliesslich Trägerraketen des High Mobility Artillery Rocket Systems (HIMARS).

(Reuters)