Mit der Eskalation der Spannungen zwischen Washington und Peking könnten die chinesischen Zulieferer des Technologiekonzerns Apple schneller aus dem Land strömen als es viele Beobachter erwarten. Dies berichtet einer der wichtigsten Geschäftspartner des iPhone-Herstellers.
Vor allem US-Technologieunternehmen drängten ihre Produktionspartner in China, alternative Standorte zu suchen, berichtet Kazuyoshi Yoshinaga, stellvertretender Präsident von GoerTek, im Bloomberg-Interview. Der Hersteller des Apple-Ohrhörers AirPod investiert zunächst 280 Millionen Dollar in ein neues Werk in Vietnam und erwägt eine Expansion nach Indien.
"Seit dem letzten Monat besuchen uns fast täglich zahlreiche Kunden", sagte Yoshinaga in seinem Büro im weitläufigen Industriekomplex von GoerTek nördlich von Hanoi. Beherrschendes Thema sei die Frage, wie schnell sich der Hersteller aus China zurückziehen könne. "Wann können Sie draussen sein?", wollten die Geschäftspartner wissen, so Yoshinaga.
Die Spannungen, die mit der Kontroverse um Taiwan und Pekings Unterstützung für Russland gewachsen sind, führen zu einem Umdenken der globalen Elektronikindustrie in Bezug auf ihre Lieferkette.
Vom iPod bis zur PlayStation werden die meisten Klassiker der Unterhaltungselektronik in China hergestellt. Die Abhängigkeit der Welt von der Volksrepublik wurde während der Corona-Pandemie deutlich, als Pekings Restriktionen zur Eindämmung der Virusausbreitung die globalen Lieferketten und damit die Produktion von Telefonen bis hin zu Autos lahm legten.
Apple hat sich bisher nicht dazu geäussert, ob der Konzern eine Diversifikation weg von China plant und auch Andeutungen zum Thema vermieden. Ein solches Vorhaben wäre eine Abkehr von dem Modell, das Vorstandschef Tim Cook noch unter Steve Jobs eingeführt hat. Apples Zuliefer-Ökosystem von Unternehmen wie GoerTek und Foxconn Technology Group beschäftigt in China Millionen von Menschen.
Hinter den Kulissen könnten neun von zehn der wichtigsten Apple-Zulieferer gross angelegte Verlagerungen in Länder wie Indien vorbereiten, das Anreize bietet, um Narendra Modis "Make in India"-Initiative voranzutreiben. Bloomberg Intelligence schätzt jedoch, dass es acht Jahre dauern könnte, um nur 10 Prozent der Produktionskapazitäten von Apple aus China zu verlagern.
Die Meinungen gehen auseinander
Der Topmanager von GoerTek dagegen geht davon aus, dass es erheblich schneller gehen könnte.
Die meisten chinesischen Technologiehersteller stünden unter demselben Druck. "Ich würde sagen, dass 90 Prozent von ihnen solche Betrachtungen anstellen", sagt Yoshinaga mit Blick auf Verlagerungserwägungen. "Es sind die Entscheidungen der Markenunternehmen."
Ganz oben auf der Wunschliste der Kunden stehe Indien — ein Zeichen für das Potenzial des Landes sowohl als Markt als auch als Produktionsstandort.
"Wir bekommen fast jeden Monat Anfragen von unseren Kunden. 'Habt ihr Pläne, nach Indien zu expandieren?'" sagte Yoshinaga. "Wenn sie beschliessen, die Produktionslinien in Indien aufzubauen, müssen wir ernsthaft darüber nachdenken. Derzeit konzentrieren wir uns auf die Entwicklung unserer Produktionsanlagen in Vietnam."
(Bloomberg)