Das seit langem erwartete Mixed-Reality-Headset von Apple ist ein ambitionierter Versuch, eine 3D-Version des iPhone-Betriebssystems zu schaffen. Es soll durch Bewegungen von Augen und Händen in einer Weise gesteuert werden, die die Technologie von Konkurrenzprodukten deutlich abhebt.

Das Gerät soll rund 3.000 Dollar oder umgerechnet 2.750 Franken kosten und noch in diesem Jahr in den Handel kommen - wahrscheinlich unter dem Namen Reality Pro. Es soll die derzeit von Meta Platforms dominierte VR-Branche aufmischen, vor allem bei virtuellen Meetings und neuartigen Videos. Die mehr als 1'000 Mitarbeiter starke Technology Development Group des Unternehmens arbeitet seit mehr als sieben Jahren an dem Projekt.

Apple stösst mit dem neuen Headset erstmals seit der Apple Watch 2015 wieder in eine grosse neue Produktkategorie vor. Der Konzern, dessen Umsatzwachstum in diesem Jahr ins Stocken geraten ist, begibt sich dabei mit einem hochpreisigen Produkt auf einen noch ungewissen Markt. Apples Headset kostet etwa das Doppelte der Konkurrenzprodukte. Virtuelle Realität ist selbst für die grössten Technologiekonzerne eine Herausforderung. Einige Prognosen prognostizieren zwar bis zum Ende des Jahrzehnts mehr als 100 Milliarden Dollar für die Branche. Aber noch gelten VR-Headsets als Nischenprodukt - und Meta hat mit seinen Bemühungen schon Milliarden verbrannt.

Das Ziel von Apple ist es, etwas Neues auf den Markt zu bringen. Wichtigstes Verkaufsargument dürfte informierten Kreisen zufolge die Fähigkeit des Geräts sein, Blicke und Handbewegungen zu verfolgen. Als wichtigstes Einsatzgebiet werden Videokonferenzen und virtuelle Konferenzräume erwartet. Es kann ausserdem als externer Bildschirm für IPhones, IPads und Macs fungieren und “immersive” Videos zeigen. Das Headset wird über mehrere externe Kameras verfügen, um die Handbewegungen des Nutzers zu analysieren, sowie über Sensoren im Gehäuse des Geräts für die Bewegungen der Augen. So kann der Träger das Gerät steuern, indem er ein Element auf dem Bildschirm ansieht, um es auszuwählen — etwa eine Schaltfläche, eine App oder ein Dokument in einer Liste.

Mit dem Zusammenführen von Daumen und Zeigefinger kann der Benutzer dann das ausgewählte Objekt aktivieren, die App starten, den Dialog bestätigen — ohne dass er ein weiteres Gerät in der Hand halten muss. Das ist ein wesentlicher Unterschied zu anderen Headsets, die in der Regel auf einen Handcontroller angewiesen sind. Wie das neueste Headset von Meta unterstützt das Apple-Gerät sowohl virtuelle (VR) als auch erweiterte Realität (“augmented reality” oder AR) nutzen. Bei VR sieht der Nutzer nur die Bilder und Inhalte innerhalb der Brille; bei AR werden digitale Inhalte über die reale Welt eingeblendet, die den Nutzer umgibt.

Immense Rechenleistung erforderlich

Die FaceTime-Software des Headsets wird das Gesicht und den ganzen Körper des Benutzers realistisch in der virtuellen Realität darstellen. Diese Avatare ermöglichen es zwei Personen - jede mit einem Apple-Headset - zu kommunizieren und das Gefühl zu haben, im selben Raum zu sein. Im Gegensatz dazu agiert in den virtuellen Besprechungsräumen des Meta-Headsets nur ein eher cartoonartiger Avatar des Benutzers.

Aufgrund der immensen Rechenleistung, die für diese Funktion erforderlich ist, wird das Headset realistische Avatare allerdings nur bei Video-Chats zweier Nutzer unterstützen. FaceTime-Sitzungen mit mehreren Personen werden zwar möglich sein, aber dort werden Nutzer dann als Icon oder Memoji angezeigt.

Wie zu hören ist, will Apple das Gerät noch in diesem Frühjahr vorstellen. Dann könnte das Produkt auf Apples jährlicher Softwareentwickler-Konferenz im Juni besprochen werden und im weiteren Jahresverlauf auf den Markt kommen. Der Zeitplan könnte sich dem Vernehmen nach jedoch noch verschieben.Apple wird es aber wohl langsam angehen lassen. Es wird zunächst wahrscheinlich nur in den USA erhältlich sein. Auch der hohe Preis wird den Absatz wohl zunächst dämpfen. Eine billigere Version könnte Ende 2024 oder Anfang 2025 folgen und eher die Hälfte kosten — was in etwa Metas Preis entspricht.

Daher rechnet Apple damit, im ersten Jahr nur etwa 1 Million Exemplare des neuen Headsets zu verkaufen. Zum Vergleich: Vom iPhone, dem grössten Umsatzbringer des Konzerns, wurden im ersten Jahr mehr als 200 Millionen Stück verkauft. Das Management sieht das VR-Headset als langfristig wichtige Plattform. Trotz des hohen Preises geht Apple nicht davon aus, mit der ersten Version einen Gewinn zu erzielen.

(Bloomberg)