Einer der schwierigsten Aspekte beim Investieren in Aktien wie Aryzta während des Turnarounds besteht darin, sie weiter zu halten, wenn sich der Erfolg eingestellt hat und das Unternehmen von einer tiefen Bewertung ohne Berücksichtigung der Zukunft zu einer Value- und Wachstumsaktie wechselt. Denn zu verlockend erscheinen die Kursgewinne - der Aryzta-Titel hat sich in den letzten drei Jahren fast verdoppelt.
Um es vorweg zu nehmen: Der Moment ist noch nicht gekommen, um sich von den Valoren des Backwarenkonzerns zu verabschieden. Zwar wachsen auch bei Aryzta die Bäume nicht in den Himmel, ein neuerlicher Anstieg um 100 Prozent über die nächsten drei Jahre ist unwahrscheinlich. Die fundamentalen Faktoren stimmen, deshalb sind Kursgewinne in kleineren Schritten zu erwarten.
Joern Iffert, Analyst bei der UBS, hat jüngst Vertriebskanalprüfungen durchgeführt, mit verschiedenen Branchenexperten gesprochen und Marktdaten ausgewertet. Sein Fazit: Aryzta ist auf Kurs, im ersten Halbjahr 2025 ein organisches Umsatzwachstum von 2 Prozent zu erzielen - mit einer Beschleunigung auf 2,5 Prozent im Jahresvergleich im zweiten Quartal 2025. Im ersten Quartal lag das Wachstum noch bei 1,6 Prozent.
Dies ist beeindruckend in einem insgesamt stagnierenden europäischen Markt. Das ist auf Marktanteilsgewinne gegenüber kleineren Handwerksbäckereien ohne Grössen- oder Kostenführerschaft sowie Herausforderungen bei der Nachfolge zurückzuführen, schreibt der UBS-Experte in seiner Notiz vom Dienstag weiter.
Beim Gewinn vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen erwartet Iffert ein Wachstum von 1 Prozent im Jahresvergleich auf rund 150 Millionen Euro, was zu einem Margenrückgang um 20 Basispunkten im Jahresvergleich auf immer noch gute 14 Prozent führt. «Gründe für den vorübergehenden Margenrückgang sind harzige Verhandlungen mit grösseren Einzelhandelskunden, bei denen Aryzta schliesslich die Preise erhöhen konnte. «Wir erwarten nun eine Aufholjagd im zweiten Halbjahr 2025, was zu verbesserten Margen für das Gesamtjahr führen wird», so der UBS-Experte.
Wann steigen die internationalen Investoren ein?
In der Schweiz ist die Aryzta-Geschichte gemäss UBS gut bekannt und die Beteiligungsquote unter lokalen Investoren solide - aber nicht überlaufen. Internationale Investoren kennen das Unternehmen und die Anlagemöglichkeiten, würden es aber nicht als ein gut vertretenes Investment in den Portfolios auf den internationalen Märkten bezeichnen.
Die deutlichen Gewinnsteigerungen und Überbietungen bei den Schätzungen sind vorbei. Trotzdem habe Aryzta noch weitere Wachstumstreiber vor sich, erläutert Iffert. Einerseits ist es die Refinanzierung zur deutlichen Senkung der Zinskosten, die nach UBS-Schätzung zu einem Gewinnanstieg von über 10 Prozent pro Aktie führen kann, und andererseits die Wiederaufnahme der Dividendenzahlungen. So wird Aryzta zu einer Value-Aktie, so das Fazit des Grossbank-Experten. Die UBS-Einschätzung lautet «Buy» mit einem Kursziel von 94 Franken. Aktuelle sind die Titel rund 80 Franken wert.
Dass es möglicherweise im kommenden Jahr noch keine Dividendenausschüttung gibt, kann die Helvetische Bank in Anbetracht der noch immer nicht komplett einwandfreien Bilanz verstehen und bezeichnet dies als keinen Beinbruch. Viel wichtiger sei, dass Aryzta die erwarteten Umsatz- und Gewinnsteigerungen auch liefere und somit stetig auf dem Pfad der Genesung voranschreite. Das sei wahrscheinlich, wie die Bank in einem Kommentar vor einem Moment schrieb.
Aufgrund der generell defensiven Ausrichtung des Geschäftsmodells mit ausgeprägtem Europafokus, dem noch immer vorhandenen, erheblichen internen Verbesserungspotenzial und der weiterhin moderaten Bewertung, gehört Aryzta zu den Top-Favoriten im Schweizer Aktienmarkt. Selbst nach der guten Kursperformance sehen die Experten der Helvetischen Bank ein Kurspotenzial von circa 20 Prozent.