Seit Mai verläuft die Schweizer Börse mehr oder weniger seitwärts: Mal klettert der Swiss Market Index (SMI) knapp über 9'000 Punkte, dann fällt er wieder leicht darunter. Grössere Ausschläge bleiben aus. In einen einem solchen Marktumfeld gilt das sogenannte "Stock Picking" als besonders beliebte Strategie. Stock Picker investieren gezielt in einzelne Aktien, von denen eine überdurchschnittliche Rendite erwartet wird.
Doch welche Einzeltitel werden den Gesamtmarkt in den nächsten Monaten übertreffen? Mit dieser natürlich nicht ganz trivialen Frage setzen sich tagtäglich zahlreiche Finanzanalysten aus aller Welt auseinander und geben entsprechende Empfehlungen für einzelne Werte ab. Mit Blick auf den SMI trauen Analysten folgenden drei Titeln derzeit am ehesten eine Überperformance zu (siehe auch Tabelle):
Lonza
Der grösste Anlegerliebling ist Lonza. 70 Prozent aller Empfehlungen für den Pharmazulieferer lauten "Kaufen", gleichzeitig steht der Titel nirgends auf "Verkaufen". Die Akquisition des amerikanischen Kapselherstellers Capsugel Ende 2016, welche im letzten Monat voll konsolidiert wurde, gilt als kluger Schachzug Lonzas. Die Syngergieeffekte sind gross, die Mittelfristziele wurden Ende Juli auch deswegen ein weiteres Mal erhöht.
Bedenken muss man jedoch folgendes: Die Aktie ist in diesem Jahr bereits um satte 40 Prozent angestiegen, seit Mitte 2012 beträgt das Plus gar 561 (!) Prozent. Mit einem geschätzten Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) 2017 von 25 ist der Titel kein Schnäppchen mehr. Die Aktie scheint also bereits vieles vorweg genommen zu haben. Können die inzwischen hohen Erwartungen plötzlich nicht mehr erfüllt werden, kann sich die Stimmung der Anleger (und der Analysten) auch plötzlich drehen.
Sika
Auf Platz zwei folgt die Sika-Aktie: 60 Prozent der Analysten raten zum Kauf. Der Bauchemiekonzern eilt ähnlich wie Lonza mit den Unternehmenszahlen von Rekord zu Rekord, die Margen überzeugen. Und auch hier ist die Kurssteigerung der Aktie imposant: Über 120 Prozent seit Herbst 2015. Viel Potenzial besitzt Sika noch in China, welches als grösster Zementmarkt gilt.
Aber auch der Sika-Titel ist mit einem KGV 2017 von knapp 26 nicht mehr billig. Ausserdem könnte der noch immer offene Ausgang des schon länger anhaltenden Übernahmekampfes der Familie Burkard mit Saint-Gobain die eingeschlagene Wachstumsstrategie gefährden. Auch steigende oder sehr volatile Rohstoffpreise könnten Sika im zweiten Halbjahr zu schaffen machen.
Roche
Mit Roche schafft es eines der drei SMI-Schwergewichte unter die drei grössten SMI-Analystenfavoriten. 56 Prozent der Analysten empfehlen einen Kauf, nur 6 Prozent würden den Titel derzeit abstossen. Die Zahlen zum zweiten Quartal überzeugten die Analysten: Der Pharmagigant zeigte sich wachstumsstark, profitabel und übertraf damit auch noch die Erwartungen. Darüber hinaus hob Roche den Ausblick für das laufende Jahr an.
An der Börse hinkt Roche mit plus 5 Prozent seit Jahresbeginn dem Gesamtmarkt trotzdem noch immer hinterher (SMI +10 Prozent). Im Vergleich zu den anderen grossen globalen Playern im Pharma-Business sieht die Neue Helvetische Bank bei Roche einen ungerechtfertigten Bewertungsabschlag von beinahe 20 Prozent - es hat also noch Luft nach oben.
Doch Analysten liegen mit ihren Vorhersagen natürlich nicht immer richtig. Contrarians investieren sogar bewusst in Titel, die von Analysten und der grossen Masse gemieden werden, da sie dort das grösste Aufwärtspotenzial sehen. Wer auf einen solchen Investitionsansatz vertraut, für den lohnt sich auch ein Blick auf die drei SMI-Aktien mit den wenigsten Kaufempfehlungen (siehe auch Tabelle unten):
SGS
Am schlechtesten kommt bei den Analysten SGS weg: Gerade mal 8 Prozent empfehlen die Aktie zum Kauf. Im ersten Halbjahr 2017 enttäuschte der Warenprüf- und Inspektionskonzern mit einem leichten Rückgang der operativen Marge auf 14,1 Prozent. Das ambitionierte operative Margenziel von 18 Prozent bis 2020 wird inzwischen von vielen Experten angezweifelt. Die beste Zeit hatte die Aktie 2012 bis Anfang 2013, als sie fast 60 Prozent zulegte. Der damalige Rekordwert wurde bis heute nicht mehr erreicht.
Im Gegensatz zur Analysten-Mehrheit zeigt sich die St. Galler Kantonalbank (SGKB) über die weitere Entwicklung bei SGS jedoch optimistisch: Der Marktkonsens unterschätze die zukünftige operative Entwicklung, die Aktie besitze daher ein Aufwärtspotenzial von rund 10 Prozent. Gleichzeitig attestiert die SGKB der SGS-Aktie die Eigenschaften einer Qualitäts- und Dividendenaktie. Die Rendite beträgt 3,2 Prozent.
Givaudan und Swatch
Wenig Kredit erhalten auch Givaudan und Swatch von den Analysten. Der führende Aroma- und Riechstoffhersteller Givaudan litt im ersten Halbjahr unter einer Wachstumsschwäche. Ausserdem ist der Titel mit einem geschätzten KGV 2017 von 24 nicht günstig. Der Kurs stagniert seit 2015 mehr oder weniger, zuvor hatte er sich innert drei Jahren allerdings mehr als verdoppelt. Es gibt auch Argumente für einen Kauf: Das Unternehmen ist solide finanziert, verfolgt eine für Anleger interessante Dividendenpolitik (Rendite rund 3 Prozent) und investiert fleissig weiter in die Forschung. Bill Gates ist mit seiner 14-Prozent-Beteiligung noch immer grösster Aktionär.
Der Uhrenhersteller Swatch ist ein gutes Beispiel dafür, dass man als Contrarian ordentlich Geld verdienen und die Meinung von Analysten auch mal übergehen kann. Schon länger hatte es der Titel bei Analysten schwer, da der wichtige Markt in China ins Stocken geraten war. Nichtsdestotrotz konnte Swatch seit Jahresbeginn um 19 Prozent und in den letzten 52 Wochen sogar um 43 Prozent zulegen. Was noch immer für die Aktie spricht: In den letzten Monaten wiesen die Schweizer Uhrenexporte eine deutliche Erholung auf, der Uhrenabsatz könnte daher weiter anziehen.